Ein Zahnarzt, der eine Behandlung abrechnet, die so nie stattgefunden hat? Unmöglich ist gar nichts, wie jetzt der Fall eines Zahnarztes aus Bad Lobenstein beweist. Der Betreffende ist derzeit angeklagt, Abrechnungen für einen Patienten getätigt zu haben, die in der Art nicht vorgenommen wurden. Momentan prüfen Staatsanwalt und Gericht die Sachlage.
Ein Fall für den Staatsanwalt
In Bad Lobenstein prüft derzeit der Staatsanwalt, inwiefern die Vorwürfe gegen den Zahnarzt gerechtfertigt sind, der einen Schaden von 380 Euro verursacht hat. Die Summe ist fast lächerlich gering und würde den Aufwand der Strafverfolgung nicht lohnen. Doch in der gleichen Praxis gab es schon einmal einen derartigen Fall, sodass es nun notwendig erscheint, doch einmal genauer hinzusehen.
Ein Patient geht schon jahrelang zu diesem Zahnarzt, meist handelt es sich um Routine- und Vorsorgeuntersuchungen. An diesen Patienten erinnern könne sich der angeklagte Stomatologe wohl nicht, weil er mit rund 600 Patienten im Quartal derart ausgelastet sei, dass kein besonderes Vertrauensverhältnis zu jedem Einzelnen entstehen könne. Nun wird der Arzt angeklagt, die AOK betrogen zu haben, weil er Leistungen für den genannten Patienten abgerechnet hat, diese aber angeblich nie durchgeführt wurden.
Der Patient wechselte aus persönlichen Gründen gegen Ende 2012 die Praxis und wollte dann irgendwann über das Internet Einsicht in seine Patientenquittungen nehmen. Die nötigen Zugangsdaten wurden von der AOK angefordert – die vorgefundenen Abrechnungen durch die Zahnarztsoftware stimmten aber nicht mit den Quittungen überein. Der Patient konnte bei beiden Terminen, die zur Abrechnung angegeben waren, ausschließen, überhaupt in Behandlung gewesen zu sein – egal, bei welchem Zahnarzt. Auf der Abrechnung war die Praxis noch nicht einmal namentlich genannt, doch der Patient konnte sich sicher sein, nicht in Behandlung gewesen zu sein.
Gründlich nachgefragt
Stutzig geworden, fragte der Patient bei der AOK an und wollte in dem Zuge auch wissen, wie jemand an die Kartendaten kommen könnte, ohne dass die Karte überhaupt zu diesem Zeitpunkt vorlag. Nun kamen die Ermittlungen durch den Staatsanwalt ins Rollen.
Der Missbrauch der Karte durch die Ehefrau des Patienten oder durch eine dritte Person konnte rasch ausgeschlossen werden, denn die Identität des Karteninhabers kann beim Einlesen der Karte direkt festgestellt werden.
Nun kam die Idee auf, dass der angeklagte Zahnarzt die Karte kopiert haben könnte, sodass er jederzeit an die Daten herankäme. Doch der Richter ließ im eben begonnenen Gerichtsverfahren daran Zweifel aufkommen. So viel kriminelle Energie für eine vergleichsweise geringe Schadenssumme? Eher unwahrscheinlich, dachte sich der Richter, zumal der betreffende Zahnarzt aufgrund seiner veralteten Zahnarztsoftware eher als Dinosaurier unter den Zahnärzten der Stadt gilt. Die Schlussfolgerung: Es müssen manuelle Eintragungen vorgenommen worden sein, daher könne es auch zu Fehlern kommen.
Nun kam der Staatsanwalt mit seiner Akte, in der sich sechs weitere solcher Vorfälle befanden. Wieder ging es um den bereits angeklagten Zahnarzt, der die Abrechnungen von Oktober 2011 bis November 2012 fingiert haben soll. Die betreffenden Behandlungen wurden auch in diesen Fällen gar nicht wirklich vorgenommen. Die Praxis des Zahnarztes wurde schon damals von der Polizei genau durchsucht, es wurden jedoch keinerlei Beweismittel gefunden.
Angesichts der Tatsache, dass in der Vergangenheit schon mehrere solcher Betrugsfälle vorgefallen sind, gibt sich der Staatsanwalt nicht aufgrund mangelnder Beweise mit einer Einstellung des Verfahrens zufrieden. Vielmehr wird der Prozess fortgesetzt werden, wobei es erst einmal mit einer weiteren Beweisaufnahme vorwärtsgeht. Im Zuge der Beweisaufnahme sollen dann auch die Mitarbeiter des Angeklagten befragt werden.
Der vorliegende Fall dreht sich zwar nicht um hohe Schadenssummen, doch dem Staatsanwalt geht es hier auch ums Prinzip. Viele kleine Betrügereien schädigen die Krankenkassen ebenso sehr – wenn nicht sogar stärker – wie wenige große solcher Fälle. Da der angeklagte Stomatologe in der Vergangenheit schon mehrfach auffällig geworden ist, droht ihm nun das Strafverfahren.
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