„Investieren in Europa“ war jahrelang die Königsdisziplin für chinesische Unternehmen. Europa bleibt zwar weiterhin attraktiv für chinesische Unternehmen, doch deren Investitionen – gerade bei Firmenübernahmen – werden zunehmend zurückgefahren. Wohin führt der Weg?
Investieren in Europa: nur noch 17,3 Milliarden Euro Direktinvestitionen
Übernahmen galten in China lange Zeit als Zugangsmöglichkeit zu westlicher Hochtechnologie. Das chinesische Know-How-Shopping im Staatsauftrag wurde deswegen auch lange sehr zwiespältig beäugt. Mittlerweile ist der Trend jedoch rückläufig. Die Direktinvestitionen Chinas innerhalb der EU gingen im Jahr 2018 um 40 Prozent auf einen Wert unterhalb des Niveaus von 2014 zurück. Nur noch 17,3 Milliarden Euro flossen in die 28 Länder der Europäischen Union. Das Berliner Merics-Institut und die US-Beratungsfirma Rhodium Group kamen in ihrer jüngst veröffentlichten Studie zu diesem Ergebnis.
Das Investieren in Deutschland gewinnt an Beliebtheit
Während der Trend für ganz Europa negativ ausfällt, konnte Deutschland als Standort für Investments deutlich an Attraktivität zulegen. Im Jahr 2018 stiegen die chinesischen Investitionen um 400 Millionen Euro auf 2,1 Milliarden Euro gegenüber dem Wert im Jahr 2017 von 1,7 Milliarden Euro.
Investieren in Europas Champions ist noch immer das Motto der chinesischen Unternehmen. So schlagen die Übernahmen der Pharmafirma Biotest (Käufer: Tiancheng) und des Automotive Suppliers Grammer (Käufer: Ningbo Jifeng) beim deutschen Zuwachs zu Buche.
Kapitalkontrollen erschweren das Investieren in Europa
Der Rückgang des Interesses ist jedoch weniger auf eine gesunkene Attraktivität europäischer Unternehmen zurückzuführen. Vielmehr kommt die Studie zum Schluss, dass rigide Kapitalkontrollen in China verhindern, dass Gelder in Europa investiert werden. Zudem beobachten die Autoren der Studie eine Verknappung der Liquidität bei chinesischen Firmen.
Jahr | Investitionsvolumen |
---|---|
2014 | 14,7 |
2015 | 20,7 |
2016 | 37,2 |
2017 | 29,1 |
2018 | 17,3 |
Quelle: Merics/RHG |
Besorgnisse der Bundesregierung bremsen
Darüber hinaus wird eine Übernahme von europäischen Unternehmen auch in Europa zunehmend stärker kontrolliert. Dies führt zu Verzögerungen bei den Investitionen. Es ist auch bereits abzusehen, dass die Kontrollen bei Firmenübernahmen in Europa künftig noch weiter verschärft werden. Das Investieren in Europa könnte sich damit zunehmend zum Einzelfall entwickeln.
Die Investitionen der Chinesen betreffen auch Technologiebereiche, welche die Bundesregierung dem wissenstechnischen Zugriff Chinas entziehen möchte. Zwei Beispiele für so verhinderte Übernahmen sind der Maschinenbauer Leifeld und der Stromnetzbetreiber 50Hertz.
Vorsicht: Geheimdienst!
Im Jahr 2018 schlugen Deutschlands Verfassungsschützer Alarm. Unter dem Motto „Ausweiden und ausschlachten“ kommentierte Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die Aktivitäten der Chinesen. Die chinesischen Unternehmen arbeiten eng mit dem chinesischen Geheimdienst zusammen, so Maaßen. Daraus erwächst für die europäische Region zunehmend ein Sicherheitsrisiko.
Das Jahr 2017 hatte mit der plakativen Übernahme des Augsburger Roboterproduzenten Kuka für 4,5 Milliarden Euro durch den Haushaltsgerätehersteller Midea auf die zunehmende Einflussnahme chinesischer Unternehmen in der europäischen Wirtschaft, insbesondere in Schlüsseltechnologien aufmerksam gemacht. Weitere Fälle waren der Einstieg des chinesischen Mischkonzerns HNA bei der Deutschen Bank und jener des chinesischen Autoherstellers Geely bei Daimler.
Trump treibt Chinesen nach Europa
Die beiderseitigen verschärften Investitionskontrollen können das Investieren in Europa jedoch maximal kurzfristig bremsen. Der Handelskonflikt zwischen China und den USA führt naturgemäß zu einem gesteigerten Interesse der Chinesen an Geschäftsbeziehungen mit Europa. Die anhaltenden Anstrengungen Chinas, die neue Seidenstraße (One Belt, One Road) zu realisieren unterstreichen die Interessen Chinas an einer Ausweitung der Zusammenarbeit mit Europa.
Verklappung von Unternehmen
Hans-Georg Maaßen liegt mit seinen Äußerungen offenbar nicht ganz falsch. Chinesische Unternehmen trennen sich zunehmend auch von Unternehmensanteilen, welche nicht mehr benötigt werden. Dies zeigt die Entwicklung des Jahres 2018. Bösartige Zungen könnten behaupten, dass hier der Know-How-Transfer nach China abgeschlossen ist und die Unternehmenshülle nun wie eine überflüssige Verpackung entsorgt wird. Auf jeden Fall machten im Jahr 2018 chinesische Unternehmen Kasse: Anteile im Wert von mehr als drei Milliarden Euro wurden in den Kapitalmarkt zurückgegeben.
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