Licht an, Licht aus und das nur mit einmal drücken auf einen Schalter. Was Zuhause völlig normal ist, führt derzeit in der Wissenschaft zu völlig veränderten, zum sogannten grüne Gentechnik Verfahren.
Optogenetik: Ein Verfahren der Gentechnik. Oder: „Es werde Licht‘‘
Neue Verfahren in der Gentechnik, mit denen man Zellen gentechnisch verändern kann, ermöglichen es mit Hilfe von Licht Zellen zu steuern. Sie halten solch ein Verfahren für Humbug oder unmöglich? Keineswegs! Die sogenannte Optogenetik macht es möglich und eröffnet völlig neue Industriebereiche wie zum Beispiel die ,,grüne Gentechnik‘‘.
Zuerst erprobt wurde das Gentechnik Verfahren im Gehirn von Mäusen. 2004 gelang dies der Arbeitsgruppe um den Wissenschaftler Karl Deisseroth, der sehr viel mit gentechnisch veränderten Genen und Zellen arbeitete. Seiner Arbeitsgruppe ist es gelungen, aus der Süßwasseralge Chlamydomonas reinhardtii die Gene für ein lichtempfindliches Kanalprotein mit Namen Channelrhodopsin (ChR2) zu isolieren. Diese Gene wurden dann mit mit Hilfe von Verfahren der Gentechnik in die Zellen von kultivierten Neuronen eingebracht.
Daraufhin war es möglich, die Neuronen durch Bestrahlung mit Licht zum Feuern von elektrischen Signalen zu bringen und sie damit zu aktivieren. Dieses Verfahren führt nun zu komplett veränderten Bedingungen auf dem Gebiet der Zellforschung, der Gentechnik und der Medizin. Es ist damit möglich, die Zellen des Gehirns genauer auf ihre Wirkung zu untersuchen, Stoffwechselvorgänge besser zu verstehen oder Pflanzen zur Produktion bestimmter Stoffe anzuregen.
Krieg der Nerven! Chemischer Grabenkampf und feuernde Zellen
In allen lebenden Zellen, egal ob menschlich, tierisch oder pflanzlich, läuft die Signalübertragung zwischen den einzelnen Zellen ähnlich ab. Zumeist aktiviert ein chemisches Signal, auch Botenstoff genannt, Nervenzellen. Bekannte Botenstoffe im Gehirn und in den Zellen des Nevensystems sind zum Beispiel Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin oder auch das Acetylcholin. Die Zellmembranen dieser Zellen besitzen empfindliche Rezeptoren, die durch die Botenstoffe aktiviert werden. Nach der Aktivierung dieser Rezeptoren öffnen sich in der Zellmembran der Zellen Kanäle für bestimmte geladene Teilchen, die sogenannten Ionen. Wenn diese Kanäle sich öffnen kommt es anschließend zum massenhaften Einstrom von Ionen in die Zellen und dadurch zu stark veränderten Ladungzuständen an der Zellmembran.
Schlussendlich führen diese veränderten Ladungszustände sogar zu einer völligen Ladungsumkehr an der Zellmembran. Diesen Vorgang bezeichnet man als ein ,,feuern‘‘ der Zellen. Durch die Ladungsumkehr an der Zellmembran wird ein elektrisches Signal erzeugt, das entlang der Außenmembran der Nervenzellen wandert und schließlich am sogenannten synaptischen Spalt, dem Bereich zu benachbarten Nervenzellen, die Ausschüttung von Botenstoffen bewirkt. Diese Botenstoffe können dann wiederum erneut andere Nervenzellen zum Feuern anregen. Dadurch können Erregungen einiger weniger Zellen weitergeleitet werden und letztendlich andere Bereiche des Körpers beeinflußen. Zum Beispiel ist es möglich, am Ende einer solchen Kaskade einen Muskel zu bewegen, Zellen zu aktivieren oder einen Gedanken auszulösen.
Video: Gero Miesenboeck überarbeitet ein Gehirn
Optogenetik: Licht in die Gene der Zellen bringen
Die Optogenetik versucht nun, den chemischen Botenstoff durch Licht zu ersetzen. In den Zellen des Zielorganismus’ müssen hierbei mit Hilfe von verschiedenen Verfahren der Gentechnik die Gene gentechnisch verändert werden. Es ist allerdings nicht möglich, das lichtempfindliche Kanalprotein direkt in die Zellen zu schleusen. Es ist daher nötig, auf der Ebene der Gene einzugreifen. Hierzu platziert man die Gene für das lichtempfindliche Protein in zum Beispiel einen Mäusembyro oder in die Zelle einer Pflanze und im Anschluss werden nur direkt in den Zellen die veränderten Gene der DNA abgelesen und anschließend die lichtempfindlichen Proteine gebildet. Die fertigen Proteine lagern sich anschließend in die Zellmembran ein und ab diesem Zeitpunkt wird die Zelle lichtempfindlich und beginnt bei Lichteinfall zu feuern.
Die veränderten Zellen lassen sich nun also von außen steuern und mithilfe von Licht an und auch wieder ausschalten. Da es nicht zielführend wäre, wenn nun alle Zellen im Menschen oder in einer Pflanze gleichzeitig auf die Lichtsignale von außen reagieren würden, muss erneut die Gentechnik genutzt werden. Zumeist sollen ja nur bestimmte Zellen im Gehirn untersucht oder in einer Pflanze zur Produktion aktiviert werden. Daher ist es notwendig, nur diejenigen Zellen gentechnisch zu verändern, die am Ende auch mit Hilfe des optogenetischen Lichtschalters betätigt werden sollen. Um dies zu erreichen müssen die Wissenschaftler die Gene für das lichtempfindliche Protein mit Genabschnitten kombinieren, die nur in den gewünschten Zellen abgelesen werden. So ist es möglich gezielt nur ganz bestimmte Zelltypen mit den gentechnisch veränderten Gene zu erhalten. Und auch nur diese Zellen lassen sich dann per optischem Lichtsignal aktivieren und deaktivieren.
Wenn zum Beispiel Zellen im Nervengewebe untersucht werden sollen und diese Zellen den Botenstoff Adrenalin produzieren, so muss man die Gene für das lichtempfindliche ChR2 an die Gene für die Produktion des Adrenalin koppeln. So ist sichergestellt, dass das Protein ChR2 nur in den Zellen gebildet wird, die auch Adrenalin bilden. Ein großes Arbeitsfeld eröffnet nun die Suche nach spezifischen Genen, die für bestimmte Zelltypen typisch sind. Der Wunsch ist nun, in jeder existierenden Zelle einen für diesen Zelltyp spezifischen Genabschnit zu finden um nur diese Zellen optogenetisch steuerbar zu machen.
Obwohl die Gentechnik stets mit neuen und kreativen Verfahren aufwartet gilt die Optogenetik als wirklich herausragendes Werkzeug in der Gentechnik. Es gilt mittlerweile als so herausragend, dass die Optogenetik als „Methode des Jahres 2010“ gewählt wurde und zwar vom renommierten Fachmagazin für Gentechnik und gentechnisch veränderten Zellen „Nature Methods“.
Video: Optogenetik: Wie man Zellen mit Licht steuern kann | Forschungszentrum caesar
,,Grüne Gentechnik‘‘: Grüne Pflanzen als Fabriken
Mittlerweile scheint aber auch eine Anwendung beim Menschen zur Behandlung bestimmter Hirnerkrankungen möglich. Ein weiteres großes Anwendungsfeld für den Einsatz von gentechnisch veränderten Zellen ergibt sich derzeit auf einem Gebiet mit der Bezeichnung ,,grüne Gentechnik‘‘. Der Begriff ,,grüne Gentechnik‘‘ beschreibt hierbei die Anwendung von Gentechnik Verfahren wie der Optogenetik bei gentechnisch veränderten Pflanzen. Die Gene in den Zellen dieser Pflanzen wurden also durch optogenetische Verfahren zu einer gentechnisch veränderten Pflanze. Bei dieser Pflanze lässt sich nun mithilfe von Licht die Produktion bestimmter Stoffe an oder ausschalten.
1995 wurde das erste Mal über ,,grüne Gentechnik‘‘ und den Einsatz in Pflanzen gesprochen. Die erste gentechnisch veränderte Pflanze war damals der Raps, der zuerst in Kanada angebaut wurde. Im Jahr darauf folgte die USA mit gentechnisch verändertem Soja und mittlerweile gibt es sogar fünf Länder in der EU die gentechnisch veränderten Mais anbauen. Die Möglichkeiten der grünen Gentechnik sind mittlerweile sehr groß. So ermöglicht es die grüne Gentechnik, Pflanzen besser mit Dürre und Salz umgehen zu lassen, sich besser gegen Schädlinge zur Wehr zu setzen und gewünschte Stoffe zu produzieren.
Natürlich gibt es auch Kritiker der Gentechnik und speziell auch Kritik an dem Zweig mit Namen ,,grüne Gentechnik‘‘. Firmen melden auf gentechnisch veränderte Pflanzen Patente an und monopolisieren somit große Bereiche der Nahrungsmittelproduktion, was im Hinblick auf immer größere Hungerkatastrophen und wachsender Weltbevölkerung große Kritik hervorruft. Auch die natürliche Übertragung der veränderten Gene zwischen ursprünglichen Pflanzen und den gentechnisch veränderten Pflanzen lässt befürchten, dass die natürliche Biodiversität leidet. Nichts desto trotz spielt die grüne Gentechnik eine immer größere Rolle und ihr Einfluss wird weiter zunehmen und es ist notwendig sich Gesamtgesellschaftlich mit ihr auseinander zu setzten und die Vor- und Nachteile zu diskutieren.
Sind grüne Gentechnik und Optogenetik eine Revolution in der Landwirtschaft?
Wenn man nun den gesamten Werkzeugkoffer der grünen Gentechnik nutzt, ergeben sich enorm viele Möglichkeiten. Eine Kombination bisher erprobter Verfahren mit der Optogenetik macht völlig neue biotechnologische Verfahren möglich. Eine Pflanze ließe sich zunächst gentechnisch so verändert, dass sie bestimmte Substanzen herstellen kann, die sonst nur sehr teuer im Reagenzglas oder mithilfe von Mikroorganismen zu produzieren wären.
Pflanzen sind vergleichsweise anspruchslos und günstig anzubauen. Man kann nun in diese Pflanzen mit Hilfe der Optogenetik den bereits beschriebenen Lichtschalter einbauen. Diesen platziert man in die Gene der Zellen, die den gewünschten Stoff produzieren. Nun habe ich pflanzliche Zellfabriken, die auf optisches Kommando Stoffe produzieren, bis man sie von außen per Lichtschalter wieder stoppt. So ließe sich zielgenau steuern wann und in welcher Menge die gewünschten Stoffe produziert werden.
Die ,,grüne Gentechnik‘‘ besitzt also enormes Potenzial um die Landwirtschaft und Industrieproduktion zu revolutionieren. In Zukunft werden die Themen grüne Gentechnik und speziell das Verfahren der Optogenetik eine größere Rolle spielen und immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken und den Boden für breite Diskussionen bezüglich des Für und Wider bereiten.
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