Die Werkstoffprüfung umfasst verschiedene Prüfverfahren. Bei der Zugprüfung bzw. dem Zugversuch handelt es sich um ein genormtes Standardverfahren. Der Zugversuch (geregelt durch die DIN EN 10 002‐1) ist sogar das wichtigste mechanische Prüfverfahren. Es wird zur Bestimmung der Streckgrenze, der Zugfestigkeit, der Bruchdehnung sowie weiterer Werkstoffkennwerte eingesetzt. Die Zugprüfung zählt zu den ist quasistatischen, zerstörenden Prüfverfahren.
Zugprobe: Werkstoffprüfung durch Zugversuch
Ein quasistatischer Zugversuch wird stets an einer Norm-Probe ausgeführt. Diese wird mit bestimmten Maß gedehnt, bis ein Bruch eintritt. Ähnlich wie bei der Betonprobe wird auch hier die dehnende Kraft völlig stoßfrei eingesetzt. Bei einer bestimmten Anfangsbelastung beginnend wird die ziehende Kraft mit geringer Geschwindigkeit zunehmend gesteigert. Während der Zugprüfung werden mit der Messdatenerfassung zwei Parameter aufgezeichnet:
- die ziehende Kraft ( oder Belastung ) an der Probe,
- die Längenänderung der Probe.
Die Längenänderung der Probe wird mit dem Längenänderungsaufnehmer gemessen. Die gemessenen Werte werden später ausgewertet.
Am häufigsten werden Zugproben bei Kunststoffen und Metallen ausgeführt. In aller Regel dienen die Zugversuche der Werkstoffprüfung im Rahmen der Qualitätssicherung in der Produktion eines Unternehmens. Jedoch dienen Sie auch in Forschung und Entwicklung der Gewinnung neuer Erkenntnisse.
Prüfmaschinen für die Zugprüfung
Verschiedene Hersteller bieten Maschinen und Testgeräte zur Durchführung einer Zugprüfung an. Je nach Zugversuch werden alternative Lösungen angeboten. Die Prüfmaschinen des Herstellers Zwick/Röll können beispielsweise Zugkräfte von 200 N bis 2.500 kN anwenden. Je nach geprüftem Material und Vorschrift der Norm kommen verschiedene Probenhalter zum Einsatz. Die Längenänderungsmessung der Probe kann dabei sowohl mit einem berührenden Extensometer als auch mit einem berührungslosen Extensometer ausgeführt werden.
Zugprobe für Kunststoff-Teile
Die Zugversuch für Kunststoff-Proben wird unter anderem in den Normen ISO 527-1/-2 und ASTM D 638 geregelt. Dort werden die anzuwendenden Prüfmethoden für den Zugversuch (Maschine und Kunststoff-Probe) festgelegt. Während die Ergebnisse der Zugproben nach beiden Normen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, sind sie doch beide technisch äquivalent. Die Prüfungen nach den beiden Normen unterscheiden sich vor allem hinsichtlich
- ihrer Probenformen,
- den Prüfgeschwindigkeiten und vor allem auch hinsichtlich
- der Art der Ergebnisbestimmung.
Modulbestimmung nach ISO 527
Die Modulbestimmung nach ISO 527 erfordert eine hohe Genauigkeit des Extensometers. Hier sind Werte von ± 1 µm gefordert. Die Material-Prüfmaschinen „Makro, MultiXtens, OptiXtens“ des Herstellers Zwick/Röll übererfüllen diese Anforderungen. Messwege bis zu 700 mm sind in den Klassen 0.5 bzw. 1 möglich. Zwick/Röll hat sich auf eine zuverlässige Prüfung nach ISO und ASTM spezialisiert.
Material-Prüfmaschinen für niedrige Prüfkräfte
Werden Material-Prüfmaschinen für niedrige Prüfkräfte ausgelegt, so können diese oft mit geringer Größe und geringem Gewicht auskommen. Die geringe Größe wiederum ermöglicht den Einsatz der Material-Prüfmaschinen auch in beengten Einsatzumgebungen, während das niedrige Gewicht einen variablen Einsatzort ermöglicht.
Material-Prüfmaschinen auf hohe Kraft- und Wertmessgenauigkeit
Material-Prüfmaschinen können auch für eine hohe Kraft- und Wertmessgenauigkeit optimiert werden. Die hohe Genauigkeit lässt eine Reproduzierbarkeit der Messergebnisse zu. Dies ist dann von Vorteil, wenn beispielsweise kleine Druckfedern für mechatronische Funktionseinheiten oder Bauteile geprüft werden müssen.
Temperierkammern für Prüfmaschinen
Die Genauigkeit einer Messung von mechanischen Eigenschaften und deren Reproduzierbarkeit bedingt auch exakte Umgebungsparameter wie beispielsweise die Temperatur der Umgebung. Werden also Materialeigenschaften unter den tatsächlichen Einsatzbedingungen ermittelt, ist das Messergebnis relevant.
Temperierkammern ( auch Temperatur-Prüfkammern genannt ) sorgen in einem gewissen Temperaturbereich von (beispielsweise) -120°C bis +600°C für reproduzierbare Temperaturumgebungen. Die Material-Prüfmaschinen werden meist in die Temperierkammern eingebaut. Kritisch können dabei je nach Hersteller die Einbaubedingungen für die Prüfmaschinen sein. Je nach Ausführung wird eine probentemperaturabhängige Regelung (Kaskadenregelung) ermöglicht. Eine Einfahrvorrichtung kann das mechanisierte Zuführen von Proben anbieten. Seitliche Schlitze erleichtern beispielsweise das Einführen von Dehnungsmeßeinrichtungen und anderen Komponenten. Eine Kühlung kann mit FlüssigstickstoffFlüssigstickstoff (LN2) erfolgen. Beobachtungsfenster lassen einen Einblick von außen zu. Beim Langzeit-Tiefkühlen unterstützen Begleitheizungen.
Kraftaufnehmer: nicht nur für die Zugprüfung3>
Für Zugprüfungen, Druckprüfungen und Biegeprüfungen sowie für zyklische Prüfungen mit Nulldurchgang werden Kraftaufnehmer eingesetzt.
Normen zum Zugversuch an Kunststoffen und Verbund-Werkstoffen
Der Zugversuch zählt zu den quasistatischen, genormten Verfahren, für das eine ganze Reihe von Normen und Vorschriften beim Einsatz an metallischen und synthetischen Werkstoffen und Verbundstoffen gelten. Unter anderem kommen die nachfolgenden Normen und Vorschriften zum Einsatz.
- Zugversuch Faserverstärkte Verbundwerkstoffe: ISO 14129
- Zugversuch Gummi: ISO 37, ASTM D 412, DIN 53504
- Zugversuch Hartschäume: ISO 1926, ASTM D 1623
- Zugversuch Kunststoffe: ISO 527, ASTM D 638
- Zugversuch Weichelastische Schäume: ISO 1798, ASTM D 3574
Zugversuch / Prüfverfahren Metall
Bei Metallen werden die Umformeigenschaften analysiert. Die plastische Verformung ist immer ein lokaler Prozess. Wenn mit der Prüf-Maschine Metall-Proben untersucht werden, sind es hier besonders zwei Werte, denen das Augenmerk des Prüfers gilt: der sogenannte „r-Wert“ und der „n-Wert“. Die Blechdicke fließt als Probendicke ein.
Der r-Wert
Der r-Wert beschreibt die senkrechte Anisotropie, also die Abhängigkeit der Parameter von der senkrechten Ausrichtung. Bei der Entnahme der Probe eines Bandes oder eines Blechs wird darauf geachtet, dass die Proben stets in bestimmter Richtung zur Walzrichtung liegen, da der r-Wert von der Walzrichtung abhängig ist. Die Breitenänderung wird für die Ermittlung des r-Werts ebenfalls gemessen.
Der n-Wert
Der n-Wert wird im Allgemeinen aus den Zugspannungsdaten und den Dehnungswerten ermittelt und beschreibt die Verfestigung des Werkstoffs während der plastischen Verformung.
Die Messung bzw. Messdatenerfassung wird mit (z.B. inkrementalen) Längen- und (optischen) Breitenänderungsaufnehmern durchgeführt. Die Anforderungen an den Versuchsaufbau bestimmen dabei die Auswahl der passenden Prüf-Maschinen. So können eine hohe Robustheit, ein hoher Automatisierungsgrad sowie ein einfaches Probenhandling konkrete Anforderungen sein. Immer wichtig: alle Aufnehmer von Messdaten müssen bis zum Bruch der Probe messen.
Zugversuch Textil
Der Zugversuch an einem Faserseil wird nach EN 919 ausgeführt. Die Zugprüfung eines Seils erfordert dabei naturgemäß ein hohes Maß an Erfahrung mit dem Werkstoff. Die EN 919 erfordert für den Zugversuch an einem Faserseil spezielle Seil-Probenhalter und ein optisches Langwegmesssystem. Kritischer Punkt ist das Risiko, dass sich das Seil beim Einspannen aufdreht und somit die Messergebnisse verfälscht werden.
Messmarken erleichtern die exakte Messung. Allerdings verhindern die Oberflächen der geflochtenen und gedrehten Prüflinge eine einfach Anbringung von Messmarken. Ein optisches Langwegmesssystem ist für den Versuch notwendig. Grund hierfür ist der Bruch des Seils, der stets Energie freisetzt.
Bildnachweis: © morguefile.com – imelenchon