Beginnt Social Media Marketing mit „Tragen Sie den Link ein“? Wie geht der deutsche Mittelstand das digitale Marketing an? Wir schauen dem Träger der deutschen Wirtschaft heute auf die digitalen Finger.
„Tragen Link ein“: was ein Toplink, eine Probefahrt, eine Linkliste, ein Rücktritt, der Grosshandel und der Webkatalog tatsächlich mit digitalem Marketing zu tun haben
Die wortreiche Überschrift verheißt eine absolut spannende Story. Eigentlich gibt das Thema auch eine solche Story her. Was uns beim Durchstreifen der Welt dieser Begriffe jedoch begegnet, ist leider weniger spannend. Es ist die Geschichte des oftmals vergeblichen Versuchs, es den Erfolgreichen gleich zu tun.
Der deutsche Mittelstand definiert sich über das ingenieurhafte Lösen von technischen Aufgaben, über seine auf Kompetenz beruhende Überlegenheit. Das Marketing gehört nicht unbedingt zu diesen Disziplinen. Es hat ja auch mehr mit Kommunikation zu tun, denn mit Zahlen, Formeln, Prozessen, Elektronik und Mechanik. Es ist dann nicht alleine Neid, der entsteht, wenn ein solcher deutscher Unternehmer über den Teich blickt und Konzernen wie Google, Amazon, Facebook ( ein Jungspund ist der Gründer noch dazu! ) bei deren kometenhaften Aufstieg zusieht. Ungerecht ist es, hat es doch überhaupt nichts mit unseren urdeutschen Disziplinen gemein. Ungerecht ist es, da derlei Erfolge doch vermeintlich eigentlich eben dem Mittelständler zustehen. In dieser fatalen Stimmung – einer Mischung aus Ohnmacht und Wut – wächst in unserem Unternehmer der Wunsch, gleichzuziehen oder gar sofort zur Überholung anzusetzen. Doch wie tun?
Der digitale Krieg tobt jedoch nicht nur auf fernen Kontinenten. Längst schießen auch allhier digitale StartUps aus dem Boden, die unserem Unternehmer zusehends Angst einjagen. Die solide geglaubten Fundamente des eigenen Unternehmens erweisen sich zusehends als löchrige und fragile Skelette, deren Einsturz innerhalb kürzester Zeit abzusehen erscheint.
Aller Anfang ist schwer: „Tragen Link ein“
In ihrem Drang in das digitale Marketing greifen Unternehmer aus der Old Economy nach jeder Idee, die digitale Geländegewinne verspricht. Das Eintragen in Webkataloge mit Kurzbeschreibung des Unternehmens und einem „Toplink“ genannten Verweis zur Unternehmenswebseite beruhigt das von Panik geplagte Gewissen. Und kostenlos eintragen konnte man sich auch noch. Zumindest der Gedanke der Sparsamkeit scheint in der digitalen Welt Bestand zu haben…? Und wenn das Eintragen des Links in den Webkatalog eine ordentliche Summe kostet? Dann ist man froh, mit der Investition dem Ziel näher zu kommen. Was teuer ist, muss auch gut sein. Wir wollen es jedenfalls hoffen.
Toplinks, Linkliste und Webverzeichnisse waren lange Jahre die Spielwiese der Marketeers der Industrie. „Wir machen jetzt auch facebook!“ kam als Evolutionsschritt hinzu. Vom Grosshandel bis zum Fertigungsbetrieb spielte sich das Online-Marketing in derlei Gefilden ab. Es ist klar, dass man so einen Vorsprung nicht aufholen kann.
Vom Webkatalog, dem digitalen Telefonbuch
Löst man sich einmal für kurze Zeit vom State-of-the-art-Denken, dann ist der im obigen Abschnitt gezeichnete Unternehmer in seiner Peer Group gar nicht so schlecht gefahren. Wer das „Tragen Link ein“ in den Webkatalogen und Verzeichnissen umgesetzt hatte, der genoss tatsächlich einen Zuwachs an Sichtbarkeit innerhalb der Branche. Wieso? Unter all den zögerlichen Unternehmen ragt natürlich auch ein solches heraus, das mit steinzeitlichen Methoden sein digitales Pseudomarketing zelebriert. „Tragen Link ein“ hat dann zumindest beim Unternehmerkollegen für Bewunderung gesorgt. Ein Prosit also dem Webkatalog!
„URL vorschlagen Backlink“, „URL hinzufügen“ und „Link empfehlen“
Für den Marketeer war die gestellte Aufgabe zudem einfachst zu lösen. Die Webkataloge boten allenorts mit einem „Schlagen Sie den Link vor!“ einen einfachen Zugang. Nur die URL hinzufügen und das Formular abschicken – das Link empfehlen bot hier einen schlichten Weg, die Bewunderung des Chefs einzuheimsen.
In den Webkatalog kostenlos eintragen, Eintragen ohne Backlinkpflicht
Über die Jahre bekommt der deutsche Mittelstand schon einen Fuß auf den digitalen Boden. Die Wichtigkeit der Sichtbarkeit in der Zielgruppe wird bewusst. In der Folge erhöhen sich die Investitionen in das Marketinginstrument „Webseite“. Die Suchmaschinenoptimierung gewinnt zunehmend an Bedeutung. In ihren extremen Ausprägungen macht sich der Gedanke breit, dass man seine Sichtbarkeit mit dem Kaufen von Backlinks stark verbessern kann.
Das gefällt dem Unternehmer natürlich: mit einem Batzen Geld dem Wettbewerber den Rang ablaufen. Was womöglich im realen Markt mit dem eigenen Know-How und der Vertriebsmannschaft nicht möglich war, das verheißt nun das neue digitale Marketing mittels Suchmaschinenoptimierung. Die SEO-Gurus und ihre Mannen tragen ihre Clienten in Webkataloge ein, kaufen fleißig Backlinks ein, besuchen endlos Webseiten, auf denen man von der Webseite des Clienten kostenlos die URL eintragen kann.
Innovation pur: ein Webkatalog Eintragsdient
Die SEO-Agenturen haben reagiert und sich den Job einfacher gemacht. Es werden Tools entwickelt, die Leistungen zu automatisieren. Ob es Marketing-Automation ist, darüber kann man sich streiten. Das „Link empfehlen“ und das „URL hinzufügen“ jedenfalls wurde irgendwann von sogenannten Eintragsdiensten erledigt. Ein Buttonklick und Schwupps wird „Tragen Link ein“ zum Kinderspiel. Der Kunde ist zufrieden und der eigene Arbeitsaufwand ist überschaubar.
Wie lange tragen wir noch den Link ein?
Der Wettstreit bei der Suchmaschinenoptimierung wird wohl noch einige Jahre anhalten. Zunehmend drängen weitere Anbieter auf den digitalen Markt und buhlen um die Sichtbarkeit in den Suchmaschinen. Je nachdem, wie es um die Kompetenz der betreuenden SEO-Agentur bestellt ist, wird das „Tragen Link ein“ noch eine ganze Weile zum Alltag gehören. Der Webkatalog mit deinem „Link Suggest Add“ lädt nunmal zur simplen Arbeitserleichterung ein.
Wer als Marketeer jedoch mit dem Nachdenken beginnt, der wird schnell zu der Erkenntnis kommen, dass die Suchmaschinenbetreiber von Google bis Bing Webkataloge als solche erkennen und um ihre bewegte Geschichte in der Suchmaschinenoptimierung wissen. Während kuratierte Kataloge wie das DMOZ hohes Ansehen auch bei den Suchmaschinenbetreibern genießen, ist dort natürlich auch die fadenscheinige Natur der „Tragen Link ein“-Fraktion bekannt.
XING: „Tragen Link ein“ in neuem Gewand
Wesentlich spannender ist für den Marketeer die Möglichkeit, über stark frequentierte Plattformen wie XING mit dem „Link empfehlen“ sehr direkt Personen aus der Zielgruppe zu erreichen. Das Teilen von Links zu guten Inhalten hat seit den frühesten Jahren des Internets an Bedeutung gewonnen. Plattformbetreiber wie XING haben ihre Plattform als reichweitenstarkes Medium erkannt und ein Vehikel geschaffen, die eigene Popularität bei den Marketeers zu erhöhen. Bei XING gehen die Möglichkeiten sogar soweit, dass das „Link empfehlen“ sich gezielt an Gruppen, also an Personen mit dem gleichen thematischen Kontext richten kann.
Das „Tragen Link ein“ und „Schlagen Link vor“ bleibt also aktuell. Wir dürfen gespannt sein, welche zukünftigen Blüten es noch treiben wird.
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