Der Fachkräftemangel berechtigt noch lange nicht zum Einstellen russischer Kollegen! Diese etwas seltsame Erkenntnis musste ein Zahnarzt aus Erfurt gewinnen. Karsten Döring suchte nach einem Kollegen, der angestellt in seiner Praxis tätig werden sollte. Doch Fehlanzeige – die Bürokratie schob hier einen Riegel vor.
Der vorliegende Fall
Vor ungefähr einem Jahr erhielt Zahnarzt Döring eine Anfrage von dem russischen Kollegen Dr. Dadashov, der gern eine Hospitation in einer deutschen Praxis übernehmen wollte. Dieser Kollege lebte zu dieser Zeit am Ural und wollte mit seiner Familie nach Deutschland kommen. Im Rahmen der Hospitation sollten erste fachliche und sprachliche Vorbereitungen getroffen werden. Da Döring nicht nur Zahnarzt ist, sondern auch Präsident des Handballclubs, war er gegenüber dem Anliegen des russischen Zahnarztes aufgeschlossen und fand den fachlichen Austausch mit einem Kollegen sehr interessant. Die Unterlagen kamen, alles passte. Der russische Kollege hatte promoviert, einige Qualifikationen in der Oralchirurgie nachzuweisen und war lange Zeit am Institut für Implantologie in Tscheljabinsk tätig gewesen. Dazu kam die Führung einer eigenen Praxis – das ausreichende Fachwissen war wohl vorhanden. Im persönlichen Gespräch mit dem Zahnarzt kam heraus, dass die Qualifikationen tatsächlich stimmten und dass dieser Kollege überaus interessiert an seiner Arbeit war. Es lag Dörings Aussagen zufolge ein überdurchschnittliches Ausbildungsniveau vor. Die Sprachprüfung für Deutsch hatte Dörings Kollege ebenfalls bereits abgelegt, auch wenn von Anfang an klar war, dass die Deutschkenntnisse noch erweitert werden mussten.
Fachkräftemangel: Die aktuelle Situation in der Praxis
Der Fachkräftemangel macht sich nicht nur in der IT-Branche bemerkbar, sondern ist auch in der Medizin zu spüren. Gerade für chirurgische Eingriffe werden qualifizierte Helfer gebraucht, diese sind aber meist dünn gesät. Die einfache Ausbildung zum Zahnarzthelfer ist hier nicht ausreichend und ein Mitarbeiter, wie er durch den russischen Kollegen in die Praxis gekommen wäre, wäre Gold wert gewesen. Der Fachkräftemangel wird aber nicht allein durch mangelndes Personal ausgemacht, sondern auch durch die langen Weiterbildungen: Selbst wenn ein Zahnarzthelfer sich für diese entscheidet, braucht es Jahre, bis die Ausbildung abgeschlossen ist.
Nun gab Döring Dr. Dadashov einen Arbeitsvertrag und ein festes Gehalt in Aussicht, damit ging es zur Ausländerbehörde. Diese verwies auf die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung in Bonn, die wiederum rund zwanzig Seiten ihrer Formulare ausgefüllt haben wollten. Die Hürden der Bürokratie begannen und wurden stückweise immer höher.
Zahnarzt und Fachkräftemangel – kein Ausweg aus der Misere
Eine Maschine kann keinen qualifizierten Mitarbeiter ersetzen und auch eine sehr gute Zahnarztsoftware hilft nicht bei Operationen. Daher wollte Dr. Döring unbedingt den hoch qualifizierten Dr. Dadashov einstellen – doch Fehlanzeige. Trotz begründeter Notwendigkeit der Anstellung, Vorlage des Lebenslaufs des russischen Arztes, Verweis auf Verdienstrechnung und Aufenthaltsgesetz, Nachweis der Kenntnisse aktueller Zahnarztsoftware und Beifügen einer Stellenbeschreibung hatte der Zahnarzt keine Chance. Karsten Döring ging wie auch Dr. Dadashov davon aus, dass es sich um einen Formfehler handeln müsse. Doch die Absage aus Bonn kam mit der Begründung, dass für die Tätigkeit als Zahnarzthelfer keine Grundlage vorhanden sei.
Fachkräftemangel hin oder her: Derzeit gestaltet sich die Sachlage so, dass der Zahnarzt in Erfurt dringend Unterstützung braucht – die er in Form des Dr. Dadashov hätte haben können. Dieser brachte ein gesichertes Einkommen mit, war Spezialist auf seinem Gebiet, hatte Deutschkenntnisse und wurde aber dennoch abgelehnt.
Inzwischen ist der russische Zahnarzt wieder in seiner Heimat, sein Touristenvisum wurde nicht verlängert. Nun warten alle Beteiligten auf das Ergebnis, wenn sich Dr. Dadashov direkt bei der Arbeitsagentur bewirbt. Vielleicht hat er hierüber eine Chance – Karsten Döring hatte seine Stelle dort ausgeschrieben, jedoch keinen Erfolg erzielt.
Und nun? Geht die Praxis mit dem üblichen Team, der Zahnarztsoftware und fehlendem Fachpersonal weiter. Die Bedürfnisse der Patienten können damit nicht zufriedenstellend befriedigt werden. Danke, Bürokratie!
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