Mit dem Redox Potential wird die Bereitschaft eines Stoffes zur Oxidation oder zur Reduktion bezeichnet. Oxidierende Verhältnisse sind in Physik, Chemie und Biologie bekannt. Aber in der Ernährungswissenschaft?
Redox Potential in Lebensmitteln
Aus der Physik, der Chemie und der Biologie sind oxidierende Verhältnisse bekannt und es wird alltäglich damit umgegangen. Auch in der Medizin spielt das Halbelement eine Rolle, also die Elektrode, die in den Elektrolyten eintaucht und das Redoxpotential misst.
Sie braucht dafür eine zweite Elektrode, denn nur gemeinsam mit der Referenzelektrode kann das Halbelement das gesamte Spektrum des Redoxpotentials messen bzw. überhaupt nur einen Wert anzeigen. Beide verbinden sich zur galvanischen Zelle, mit der die Zellspannung messbar wird. Doch auch für Lebensmittel spielt das Redox Potential eine große Rolle, was bisher nur weniger bekannt ist.
Dafür ist folgende Erkenntnis wichtig:
Je niedriger der Redoxwert des Lebensmittels ist, desto stärker ist seine Reduktionskraft.
Das bedeutet, dass jede Flüssigkeit, die der Mensch trinkt, und jedes Lebensmittel, das er verspeist, ein bestimmtes Redox Potential aufweist. Über die Nahrung und über Getränke werden daher nicht nur Nährstoffe aufgenommen, sondern auch Reduktoren und Oxidatoren, dazu Elektronen und Protonen.
Man schrieb das Jahr 1968, als Werner Kollath ein Buch veröffentlichte, das unter dem Titel „Regulatoren des Lebens: Vom Wissen der Redoxsysteme“ bekannt werden sollte. In diesem Buch war die Rede davon, dass Nahrung, die selbst keine Fähigkeit zur Reduktion mehr habe, tot sei.
Moderne Wissenschaftler bestätigen diese Erkenntnis und sind der Meinung, dass sich freie Radikale in Wasser und Lebensmitteln durch „gute“ Lebensmittel abfangen lassen würden. Die Deutsche Gesellschaft für Umwelt- und Humantoxikologie e. V. bestätigt, dass die Gesundheit des Menschen durch Lebensmittel und deren elektrochemisches Verhalten zu beeinflussen sei. Je nachdem, wie gut die Eigenschaften der Lebensmittel zur Reduktion sind, können freie Radikale unschädlich gemacht werden.
Sie müssten dafür nur eine gute Chance darauf haben, Elektronen abzufangen. Bei Messungen muss daher ein sehr niedriger Millivolt-Wert herauskommen, wenn die Redoxspannung gemessen wird. Je niedriger der Wert, desto bessern können Elektronen abgegeben werden. Gute Elektronenspender können demnach die freien Radikale besser abfangen und sind damit für eine gesunde Ernährung empfehlenswerter als andere Lebensmittel.
Die Wissenschaft erklärt diese Tatsache damit, dass das Redox Potential auf den Fundamentalsätzen der Thermodynamik besteht. Diese wiederum besagen im ersten und im zweiten Hauptsatz, dass Lebensmittel, die ein niedrigeres Redox Potential aufweisen, die strukturelle Ordnung im Körper besser aufbauen könnten und dass sie freie Radikale besser neutralisieren würden.
Mit dem Redox Potential wird ein Wert angegeben, der besagt, wie hoch die Neigung eines Stoffes zur Abgabe von Elektronen ist. Damit wiederum erhält der Wissenschaftler einen Wert an die Hand, der als Parameter zur Angabe der antioxidativen Eigenschaften eines Stoffes gilt. Dieser Parameter sagt aus, wie gut ein Stoff freie Radikale neutralisieren kann. Daraus wird geschlussfolgert:
Je niedriger das Redoxpotential, desto höher ist die antioxidative Kapazität. Je höher das Redoxpotential (jeweils Angabe in mV), desto schlechter ist die Eigenschaft, freie Radikale abzufangen.
Video: Aufstellen von Redoxreaktionen – einfach erklärt
Elektrochemische Merkmale und ihre Bedeutung für Lebensmittel und den Organismus
Einige Wissenschaftler sind der Meinung, dass sich über die elektrochemischen Merkmale von Lebensmitteln und Getränken alle nötigen Aussagen darüber treffen ließen, wie gesund diese jeweils seien.
Hier lohnt ein Blick auf die einzelnen Merkmale und ihre Bedeutung:
- pH-Wert
Der pH-Wert ist in einem gesunden Körper in den einzelnen Zellkompartimenten stabil, das gilt sowohl intra- als auch extrazellulär. Der Wert ist derjenige, bei dem die Enzyme des Körpers am besten arbeiten können. Das heißt vereinfacht gesagt: Der pH-Wert stabilisiert sich auf den Wert, bei dem das jeweils tätige Enzym am aktivsten sein kann. Wichtig: Das ist nur möglich, wenn sich der Organismus in einem für ihn arttypischen Lebensraum befindet und wenn er optimal mit Nährstoffen versorgt ist. Ist das nicht der Fall, ändert sich der pH-Wert, von dem aus Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des betreffenden Organismus gezogen werden können. - Leitfähigkeit
In einer Probe befinden sich immer auch elektrische Ladungsträger. Die Leitfähigkeit nun gibt Aufschluss darüber, in welcher Anzahl diese Ladungsträger vorliegen. Ionen finden sich in wässrigen Lösungen und damit in allen lebenden Systemen. Freie Elektronen existieren nur in sogenannten Festkörpern. Neben Wasserstoffionen und Hydroxylionen sind es in wässrigen Systemen auch viele weitere Ionen: Natrium-, Kalium-, Hydrogenkarbonat- und Phosphationen sind typisch. Alle Ionen zusammen ergeben die jeweilige Leitfähigkeit einer Probe oder auch den spezifischen Widerstand. Zuletzt unternahm die Universität Freiburg im Jahr 1995 umfassende Studien darüber, wie Substanzen, die toxisch auf die Zellmembrane wirken, für Elektrolytverluste verantwortlich sind. Diese toxischen Substanzen waren in den Studien unter anderem Pflanzenschutzmittel, Detergenzien, organische Lösungsmittel sowie verschiedene weitere freie Radikale bzw. Radikalbildner. Die Zelle musste Elektrolytverluste hinnehmen, die Elektrolyte wanderten in das wässrige Medium ein. In einem intakten Zellverband bewirkt dieser Verlust an Elektrolyten, dass die Membran geschädigt wird. Das heißt, je mehr Elektrolyte abgegeben werden, desto stärker wird auch die Zellmembran geschädigt. Ein Test der Leitfähigkeit stellt klar, wie groß die vorliegende Zellschädigung bereits ist. Dies lässt sich auch an Früchten nachweisen, denn ihr Reifeverlust lässt sich über Tests zur Leitfähigkeit nachverfolgen. - Redox Potential
Das Spektrum der nachzuweisenden Werte umfasst auch das Redox Potential und den Ansätzen der Thermodynamik, die oben bereits beschrieben wurden. Diese Fundamentalsätze belegen, dass Lebensmittel, die ein niedriges Redox Potential aufweisen, eine strukturelle Ordnung im Körper herstellen bzw. sicherstellen können. Gleichzeitig neutralisiert ein niedriges Redox Potential die freien Radikale. Mit der Darstellung der antioxidativen Wirkung, was über die Messung des Redoxpotenials möglich ist, wird die Fähigkeit der Lebensmittel zur Neutralisation der schädlichen freien Radikale angegeben. Das bedeutet, dass eine Verbindung möglichst reduziert sein und einen niedrigen Wert für das Redox Potential aufweisen muss. Dann ist die gesunde, antioxidative Wirkung am größten.
Video: redoxpotential
Das bringt das Wissen über das Redox Potential
Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie über gezielte elektrochemische Messungen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel und dessen Herkunftsgeschichte und seiner Wirkung auf die Gesundheit des Menschen herstellen können. Die elektrochemischen Parameter beeinflussen damit direkt die Qualität des Lebensmittels und die Relevanz, die es noch für die Gesundheit hat.
Dabei ist neben den anderen Werten vor allem das Redox Potential besonders wichtig, denn es steht für die Fähigkeit des Lebensmittels, reduzierend zu wirken und zeigt damit die Auswirkungen der Verbindungen auf den Menschen. Diese Verbindungen sind reduktionsfähig und bestehen in Vitaminen und sekundären Pflanzenwirkstoffen.
Daraus lässt sich Folgendes ableiten:
- Je stressärmer ein Produkt hergestellt wird, desto reduzierter ist es.
- Produkte ohne chemische Behandlung sind stressfreier hergestellt.
- Konventionelle Landwirtschaft beeinflusst das Redox Potential ungünstig.
Es geht bei der Herstellung und den stressarmen Zeiten um den gesamten Lebensweg vom Anbau bis zur Ernte. Auffällig war in Tests, dass Obst von Streuobstwiesen am besten abschnitt und das höchste Redox Potential aufwies.
Der Grund liegt auch darin, dass Obst und Gemüse kaum noch reif geerntet werden, sondern noch unreif bzw. behandelt in den Handel gelangen. Die wichtigen antioxidativen Stoffe entwickeln sich aber erst sehr spät und sind eigentlich dafür gedacht, die Pflanze selbst vor Schädlingen und Krankheiten zu schützen.
Die Wissenschaftler nehmen an, dass reduzierte Verbindungen in Organismen zur eigenen Fortpflanzung wichtig seien, denn gesunde Organismen haben größere Überlebenschancen. Je mehr diese Organismen aber oxidiert werden, was durch physiologische und technologische Prozesse möglich ist, desto weniger gesundheitsförderlich sind sie.
Daher die Empfehlung der Forscher: Alle Produktions- und Verarbeitungsschritte sollten darauf ausgelegt sein, die elektronenreichen Verbindungen in den Lebensmitteln zu schonen. Wird das Redox Potential gemessen, scheint es diese These zu belegen.
Redox Potential und der Nutzen für den Verbraucher
Die wenigsten Verbraucher können mit dem Begriff „Redox Potential“ etwas anfangen, vor allem nicht in Verbindung mit Lebensmitteln und dem gesamten Spektrum an gesundheitlichen Auswirkungen der Inhaltsstoffe. Doch die verschiedenen Untersuchungen, die zu Lebensmitteln und deren Redox Potential bisher durchgeführt worden sind, haben durchaus interessante Dinge zutage gebracht.
Hiermit wurde gezeigt, dass die eingesetzten Produktionstechniken einen direkten Einfluss auf die Qualität der Nahrung des Menschen sowie auf die gesundheitsfördernden Eigenschaften derselben besitzen. Jedes eingesetzte Mittel in der Landwirtschaft hat direkte Konsequenzen auf das Produkt, was unter anderem bei der Messung des Redoxpotentials in Apfelsaft klar geworden ist.
Gemessen wurden hierbei verschiedene Proben in einem gleichwertigen Rohzustand. Die Proben stammten sowohl aus konventionellem Anbau und hier aus Betrieben, die auf eine größtmögliche Technologisierung setzen, als auch aus kleinen Landwirtschaftsunternehmen, die handverlesene Rohware in eine kleine Saftpresse gaben und bei denen die Äpfel aus eigenem Anbau und aus der näheren Region stammten.
Die Ergebnisse waren eindeutig und zeigten, dass gesunde Lebensmittel nicht mit technischen Errungenschaften zu erreichen sind. Es kommt vielmehr darauf an, dass Obst und Gemüse schonend angebaut werden und dass sie in Ruhe reifen können. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngern verschlechtert die Qualität der Produkte nur und der gesundheitliche Nutzen ist kaum noch vorhanden.
Dies gilt immer bezogen auf die Eigenschaft der Früchte und Lebensmittel, freie Radikale unschädlich zu machen. Natürlich liefern auch konventionell hergestellte Produkte Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, allerdings sind sie weniger gut in der Lage, antioxidativ zu wirken.
Fazit: Redox Potential als wichtiger Parameter in der Herstellung gesunder Lebensmittel
Wird das Redox Potential gemessen, lässt sich über den ermittelten Wert eine Aussage darüber treffen, ob ein Lebensmittel im Sinne der antioxidativen Wirkung gesund ist oder nicht. Über die „Elektronenangebote“ der Lebensmittel, die stark durch die eingesetzte Technik, den Transport und die Aufbereitung beeinflusst werden, definiert sich der gesundheitliche Wert der Lebensmittel.
Das Angebot an Elektronen kann durch das Redox Potential dargestellt bzw. gemessen werden. Forscher sprechen hier sogar von einer „dramatischen Beeinflussung“ der Lebensmittel über ihre Produktion bis zur Zubereitung.
Denn selbst durch die Küchentechnik lässt sich die antioxidative Wirkung von Lebensmitteln noch beeinflussen. Auch eine lange Lagerung, wie sie durch Transporte von Obst und Gemüse aus anderen Kontinenten nötig ist, lässt den antioxidativen Wert des Lebensmittels drastisch sinken. Wird das Redox Potential gemessen, lassen sich die Auswirkungen in Zahlen darstellen.
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