Der demografische Wandel ist in aller Munde. Rentenlücke und andere Aspekte sind gute Gründe, mehr Kinder in die Welt zu setzen. Doch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht oft im Konflikt zum Kinderwunsch.
Früher gab es keine Vereinbarkeit von Familie und Beruf – für Frauen
Noch in den 1960er Jahren war es normal, dass der Vater das Geld verdiente und die Mutter bei den Kindern blieb. Alleinerziehende waren die Ausnahme und gesellschaftlich nicht besonders hoch angesehen. In der DDR war das etwas anders, da der Staat dort die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schon aus politischer Notwendigkeit heraus förderte und auch Alleinerziehende (in der Regel Mütter) mit umfassenden staatlichen Angeboten für die frühkindliche Ganztagesbetreuung unterstützte.
Was im Rückblick sehr sozial klingt, hatte natürlich einen sehr handfesten Hintergrund: Der DDR mangelte es an qualifizierten Arbeitskräften, um die krankende Wirtschaft am Laufen zu halten. In Westdeutschland blieb die berufliche Emanzipation oft zugunsten der Familie auf der Strecke. Im Ergebnis beziehen viele Mütter von damals heute sehr geringe Altersrenten, weil sie nur geringe Beitragszeiten aufweisen können.
In den letzten Jahren gab es in Deutschland und anderen europäischen Ländern immer wieder Bestrebungen, die Situation zu verbessern. Die Einführung der sogenannten Mütterrente ist ein Beispiel dafür, wie zumindest die Lage einiger Rentnerinnen durch Anrechnung von Kindererziehungszeiten verbessert werden kann. Doch die Gegenfinanzierung belastet die Systeme anderweitig.
Männer hatten noch nie ein Problem bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Klar ist, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Vordergrund stehen muss, wenn ein Anreiz für das Kinderkriegen nachhaltig wirken soll. Denn neben den finanziellen Aspekten sehen die Eltern heute nicht mehr ein, auf ihre Karriere verzichten zu müssen. Tatsächlich hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten einiges getan – Väter mit Kinderwagen auf dem Spielplatz sind (zumindest in den Großstädten) ein alltäglicher Anblick geworden und vollschichtig arbeitende Mütter, die das Haupteinkommen der Familie bestreiten, gibt es ebenfalls immer öfter.
Doch das gesellschaftliche Ansehen ist insbesondere beim Thema „berufstätige Mutter“ noch immer ein Problem. Während die einen das für eine tolle Errungenschaft halten, beklagen andere, dass die Kindererziehung darunter leide. Seltsamerweise werden diese Argumente nie bei berufstätigen Vätern angeführt. Es sieht fast so aus, als könnten Frauen es nie richtig machen. Sagt eine Frau, dass sie keine Kinder möchte, wird sie als merkwürdig abgestempelt.
Sagt sie, dass sie sich als Mutter nur um Kinder kümmern möchte, gilt sie als rückständig und nicht emanzipiert. Sagt sie, dass sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf leben möchte, gilt sie als Rabenmutter. Vielleicht muss vor allem an dieser Schraube gedreht werden, um die Anerkennung der Leistung von Müttern und Vätern in Familie und Beruf gleichermaßen zu gewährleisten.
Das Elterngeld ist ein Schritt in die Richtung, dass sich beide Elternteile schon früh um die Kinder kümmern sollen. Tatsächlich ist es so, dass sich die meisten Väter in der Vergangenheit eher am Wochenende um die Kinder gekümmert haben, wenn sie das Kindergartenalter erreicht hatten. Ein Papa der alten Schule hat in den 60er und 70er Jahren den Windeleimer nur selten von innen zu Gesicht bekommen.
Elterngeldbezug als Anreiz für Berufstätige
Der Elterngeld-Bezug ist in Deutschland eine Familienleistung, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern soll. Damit können die Elternteile fehlendes Einkommen ausgleichen, wenn sie nach der Geburt das Kind betreuen möchten. Insbesondere für Familien, in denen die Erwerbs- und Familienarbeit geteilt werden soll, ist dies eine interessante Alternative. Die wirtschaftliche Existenz wird dadurch besser abgesichert, auch wenn der Hauptverdiener die Kinderbetreuung übernimmt.
Elterngeld-Leistung:
- Bezug für insgesamt 14 Monate möglich
- freie Aufteilung zwischen Elternteilen möglich, solange ein Elternteil mindestens 12 und eines mindestens 2 Monate die Betreuung übernimmt
- bei getrennt lebenden Eltern ebenfalls möglich, Alleinerziehende können die vollen 14 Monate beanspruchen
Elterngeld Plus:
- Elterngeldbezug kann länger als bisher stattfinden (bei entsprechend niedrigerer Höhe; maximal doppelte Bezugszeit bei maximal halber Bezugshöhe erlaubt)
- bessere Planbarkeit über längere Zeiträume, vor allem interessant bei früher Wiederaufnahme einer Teilzeitarbeit
- Partnerschaftsbonus: Eltern, die während der ElterngeldPlus-Zeit zwischen 25 und 30 Wochenstunden arbeiten, bekommen vier zusätzliche Bezugsmonate.
- Bonus gilt auch für getrennt erziehende Eltern, die beide in Teilzeit gehen
- Alleinerziehende können den gesamten Bonus beanspruchen
Das Bundesfamilienministerium hat in einer Studie dargelegt, dass insbesondere das ElterngeldPlus gut von den Familien angenommen wird. In der Studie wurden Bezieher der Familienleistung befragt. In der Pressemeldung wurden die wichtigsten Daten wie folgt zusammengefasst:
- mehr als 75 % der Bezieher bewerten das ElterngeldPlus positiv
- mehr als 30 % der Eltern, welche die Leistung beantragten, entschieden sich im 1. Quartal 2018 für ElterngeldPlus
- Partnerschaftsbonus besonders bei Vätern beliebt, weil er die partnerschaftliche Aufteilung der Kinderbetreuung stärkt. Im Bundesdurchschnitt entscheiden sich bereits 29 % der Väter für den Partnerschaftsbonus
Elterngeldleistung soll Vereinbarkeit von Familie und Beruf voranbringen
Die Höhe der Elterngeldleistung wird nach dem monatlich verfügbaren Nettoeinkommen berechnet, das vom betreuenden Elternteil vor der Geburt des Kindes in regelmäßiger Erwerbstätigkeit erzielt wurde. Bei höheren Einkommen beträgt die maximale Elterngeldhöhe bis zu 65 Prozent, niedrige Einkommen können bis zu 100 Prozent ersetzt werden.
Generell gelten folgende Rahmengrößen:
- Mindesthöhe pro Monat: 300 Euro / 150 Euro bei ElterngeldPlus
- Höchstsatz pro Monat: 1800 Euro / 900 Euro bei ElterngeldPlus
- Mindestelterngeld wird an alle gezahlt, die das Kind nach der Geburt selbst betreuen und maximal 30 Stunden pro Woche arbeiten. Das gilt auch für Studierende, Hausfrauen und -männer oder Eltern, die wegen zurückliegender Kinderbetreuungen bislang nicht gearbeitet haben
- Geschwisterbonus: Zuschlag von 10 Prozent (mindestens 75 Euro) bei Mehrkindfamilien. Bei der Geburt von Mehrlingen wird ein Zuschlag von 300 Euro für jedes weitere Neugeborene bezahlt. Für ElterngeldPlus gelten jeweils die halben Sätze (dafür ist der Bezug doppelt so lange möglich)
Familien, die sich für den Elterngeldbezug interessieren, können ihren Anspruch mit einem Elterngeldrechner selbst ermitteln. Eine digitale Beantragung ist laut Pressemeldung inzwischen ebenfalls möglich.
Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt es noch viel zu tun
Neben den finanziellen Aspekten gibt es aber natürlich noch andere Gründe, die Kompatibilität zwischen Beruf und Kindererziehung zu verbessern, denn für die meisten Menschen ist der Beruf auch eine Art der persönlichen Selbstverwirklichung. In der Vergangenheit wurde von Frauen regelmäßig erwartet, ihre eigenen Karriere-Ambitionen hinter der Familie zurückzustellen. Frauen, die trotz Kindeserziehung weiterhin gearbeitet haben, müssen sich bis heute mit dem Vorwurf auseinandersetzen, angeblich schlechtere Elternteile zu sein. Dabei gilt es vor allem, die Rahmenbedingungen deutlich zu verbessern.
Das beginnt mit der Möglichkeit, Kinderbetreuungsplätze in der Nähe von Arbeitsstelle und Wohnort zu nutzen oder sogar innerbetriebliche Kinderbetreuung anzubieten. Leider hinken viele Unternehmen da noch hinterher, weil das alte Bild der Familienaufteilung zwischen Erziehung und Beruf gerade in den (vornehmlich männlichen Chefetagen) vorherrscht. Für die Marktwirtschaft ist dies aber schädlich, denn nie zuvor waren Frauen am Arbeitsmarkt so gefragt und so gut ausgebildet wie heute.
Auf dieses Potenzial zu verzichten, schädigt also nicht nur die familiären Strukturen und die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, sondern letztlich auch die Marktwirtschaft. Bei der Erwerbstätigkeit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel geändert, anderes ist gleich geblieben. Obwohl gerade in Deutschland quasi Vollbeschäftigung herrscht und ein Fachkräftemangel immer wieder diskutiert wird, verschenken viele Unternehmen Potenzial, indem sie Frauen nicht ausreichend fördern.
Weniger Gehalt und schlechte Vereinbarkeit von Arbeit und Familie schrecken viele Bewerberinnen von vornherein ab. Andere Unternehmen gehen hingegen vorbildlich mit dem Thema um und bieten potenziellen Bewerberinnen etwa einen Tag der offenen Tür an, um sie von der Vereinbarkeit der früher angeblich unvereinbaren Seiten des Lebens zu überzeugen. Das ist nicht nur in Deutschland ein Thema, sondern in der gesamten EU, Vollbeschäftigung hin oder her.
Fazit: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist längst noch nicht verwirklicht
Während Männer bei der Kindererziehung eigentlich schon immer zugunsten des Berufs und des höheren Einkommens Familie und Beruf unter einen Hut bekamen, waren Frauen stets benachteiligt. Daran ändern auch gute Ansätze wie der Elterngeldbezug nicht immer etwas, weil berufstätige Frauen auch vom sozialen und gesellschaftlichen Umfeld aus kritisch beäugt werden. Hinzu kommt, dass die ungleiche Bezahlung von Mann und Frau im Beruf oft dazu führt, dass derjenige mit dem höheren Einkommen im Job bleibt.
Die Kinderbetreuung muss zudem deutlich ausgebaut werden, wenn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirklich gefördert werden soll. Die Gesellschaft würde insgesamt davon profitieren, weil sowohl die Altersbezüge der berufstätigen Frauen und Männer steigen als auch die höhere Kinderzahl die Altersvorsorgesysteme entlastet.
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