Was hat FRAPORT mit der Verteilrechnung Energie zu tun? Wer an den Flughafen denkt, dem kommt das Meeting in Helsinki oder der Wochenendtrip nach Nizza in den Sinn. Davor nochmal ein paar It-Pieces bei Baily Diehl shoppen und den Balik-Lachs und natürlich etwas Schokolade im Caviar House genießen. Doch hinter der Bühne ist FRAPORT Immobilienbetreiber und Vermieter und stellt in den Flughafengebäuden Energie (Strom, Wärme, Kälte) in Räumen und Flächen bereit. Die Abrechnung dieser Leistungen definiert den Begriff Massendatenverarbeitung neu und man darf sie als die Königsklasse der Komplexität ansehen, wie Immobilienbetreiber sie aus ihrem Tagesgeschäft kennen.
Ein Blick hinter die Kulissen: Verteilrechnung in eigener Dimension
Vom landenden Flugzeug aus gesehen, erblickt man am Boden das Lichtermeer des Frankfurt Airports. Langsam nehmen die Flugzeuge am Gateway Form an, werden größer. Doch die Welt am FRAPORT ist viel kleinteiliger. Den täglichen Betrieb ermöglichen über 22.500 Menschen, die in den verschiedensten Rollen und an den unterschiedlichsten Orten für Abflug, Landung und Güterumschlag sorgen. Das ist es auch, was die Komplexität am Airport ausmacht.
Die Geschäftsprozesse eines Immobilienbetreibers
Betrachtet man den Flughafen aus der Sicht eines Immobilienbetreibers, so hat man hier eine sehr große Zahl an internen und externen Kunden unterschiedlicher Größe als Mieter und Dienstleistungsempfänger an Bord. In der Menge wechseln die Mieter häufig und die Immobilienangebote sind vielseitig: Büros, Lagerräume und Lounges in den Terminals und in den CargoCitys und auch den zentralen Verwaltungsbereich. Hinzu kommen Sonderimmobilien wie beispielsweise Flugzeughallen.
Daraus resultieren eine Vielzahl an Geschäftsprozessen, welche Monat für Monat nicht nur organisatorisch abgearbeitet werden müssen, sondern auch den Eingang in die Abrechnung zum nächsten Ultimo finden sollen.
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Mieterwechsel
Der scheidende Mieter verlässt die Räume zum 10. des Monats, der Nachmieter bezieht die Räume zum 24. des Monats.
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Flächensplit
Wenn ein bislang ungenutzter Raum neu aufgeteilt und jeder Teil einem anderen Mieter zugeschlagen wird, kann das so manche Anwendung ins Schleudern bringen.
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Änderung der Nutzungsart
So kann aus dem Lager zum 17. des Monats ein Büro werden – eventuell jedoch nur für 20 Wochen.
Energie-Business ist Massendaten-Business
Die große Zahl der Nutzer der Immobilien am Frankfurter Flughafen macht auch die Versorgung mit Energie komplex. Jeder Energieverbrauch muss gemessen werden. So kommt es, dass FRAPORT etwa 100.000 Messpunkte (sowohl vom Typ Marktlokation wie Messlokation) zur exakten Aufnahme der Daten einsetzt. Diese Zahl macht deutlich, dass eine exakte Verteilrechnung Energie stets auch Massendatenverarbeitung bedeutet. Hinzu kommt, dass Marktlokationen vielfach nicht mit Messlokationen identisch sind.
Wie sieht das Verteil-Modell genau aus?
Der Verteilrechnung Energie bei FRAPORT liegen folgende Detaildaten (gruppiert) zugrunde:
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Abrechenpunkte (Marktlokationen mit MaLo-ID)
Die Abrechenpunkte werden stets einzelnen Flächen in Gebäuden zugewiesen.
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Gebäude
Die Gebäude werden in Teilflächen gegliedert.
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Mieter mit ihren Nutzungsarten
Eine Nutzungsart wird mit dem Mieter einzelnen Teilflächen in einem Gebäude zugewiesen.
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Mieterwechsel
Beendet ein Mieter die Nutzung einer Gebäudeteilfläche, so muss die Verteilrechnung Energie dies tagscharf und flächenscharf berücksichtigen. Das Gleiche gilt für den Beginn einer Nutzung und für eine Änderung der Nutzungsart.
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Leerstand
Einzelne Teilflächen eines Gebäudes können den Zustand des Leerstandes erhalten.
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Vertragslaufzeiten
Die Mietverträge weisen Laufzeiten auf, welche nicht an Monatsgrenzen gebunden sind.
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Exakte Flächenzahlen
Jede Teilfläche in einem Gebäude fließt mit ihrer m²-Zahl in die Verteilrechnung Energie ein.
Was bedeutet die Digitalisierung der Verteilrechnung?
Eine These besagt:
- „Digitalisierung bedeutet auch, Medienbrüche und langsame Schnittstellen zwischen Insellösungen zu beseitigen, so dass Geschäftsprozesse tatsächlich im digitalen Raum ablaufen können.“
- (Bastian Naurath, typzwo)
Die Verteilrechnung Energie erfordert eben genau diesen Wegfall von Medienbrüchen und langsamen Schnittstellen. Der Verteilprozess muss stets gleichzeitig auf die gemessenen Mengen und den Verteilungsschlüssel zugreifen. Müssen diese Daten erst mühsam zusammengeführt werden, ist der gesamte Prozess fehlerträchtig und langsam. In einem digitalisierten Szenario sind innerhalb dieses Prozesses jegliche Schnittstellen nicht nur überflüssig – sie sind schlicht „Showstopper“ und anachronistisch.
Was die praktische Umsetzung bei FRAPORT auch gezeigt hat, ist eine Komplexitätsreduktion für die Mitarbeiter des Fachbereichs als eines der wesentlichen Ergebnisse der Umstellung auf SAP IS-U.
In welchen Schritten erfolgt eine Abrechnung in einer ganzheitlichen Lösung?
Am Beispiel FRAPORT lässt sich eine Implementierung der Verteilrechnung Energie verdeutlichen. Die Abrechnung erfolgt stets an externe Kunden, dies sind die Mieter des Raums bzw. der Fläche. Den internen Kunden – dies sind FRAPORT Abteilungen / Geschäftseinheiten – wird der Aufwand über die Kostenstellenzuordnung im Rahmen der internen Leistungsverrechnung zugeordnet. Die Grundlogik der Verteilrechnung lässt sich auf die nachfolgenden Schritte abbilden.
Zu einem Gebäude gibt es eine festgelegte Zahl an Eingangsmessungen zu jeder Energieart. Diese Eingangsmessungen werden pro Gebäude zusammengefasst.
- Von dieser gemessenen Energiemenge (Messlokation) werden die direkt im Gebäude gemessenen Energieverbräuche (Marktlokationen) im Leistungszeitraum abgezogen.
- Es verbleibt die zu verteilende Menge je Gebäude und Energieart.
- Diese zu verteilende Menge wird dann über die Verteilrechnung auf die jeweiligen Räume und Flächen im Gebäude (Marktlokationen) verteilt. Die Verteilrechnung ist also sehr ähnlich zu einer Heizkostenverteilung. Die Daten für die Räume wie Raumdaten, Größe, Mieter und die anderen abrechnungsrelevanten Parameter kommen über eine Schnittstelle aus dem SAP RE/FX („SAP Flexible Real Estate Management“, die Branchenlösung für die Immobilienverwaltung).
- Die raumscharfen Mengen werden monatlich für den Vormonat gegenüber den externen Kunden in Sammelrechnungen abgerechnet. So erhält der Kunde eine Rechnung für alle Räume und Flächen einschließlich der Angabe der Verteilmengen je Raum. Werden Mengen den internen Kunden zugeordnet, so werden diese über eine Schnittstelle der FRAPORT Konzern ILV zugeführt.
Wieviel Schnittstelle braucht man?
Diese Frage birgt eine Menge Sprengstoff. Wer seine Verteilrechnung Energie über eine stattliche Sammlung an vernetzten Insellösungen abbildet – also der immer noch übliche Normalfall – der kann ein Lied davon singen. Der Regelfall ist eine Schnittstelle von der Anwendung des Messdaten sammelnden Dienstleisters zur eigenen Anwendung. Dann womöglich nochmal zur Anwendung zur Verteilrechnung, weiter zur Abrechnungsanwendung. Werden die Daten über die Mietobjekte wie üblich in einer separaten Anwendung für den Mietflächensplit auf einzelne Mieter auf m²-Ebene geführt, haben wir noch eine Schnittstelle mehr.
One Business – One Applikation
Diesem Zoo an Anwendungen und Schnittstellen schob die Lösung am FRAPORT einen Riegel vor und begrenzte die Zahl der Schnittstellen auf den Wert „1“. Nur eine Schnittstelle bedient die Spezifikation INVOIC der Bundesnetzagentur zum Import der Rechnungen für die Kosten der Netznutzung. Daten aus der Schnittstelle werden anschließend der Verteilrechnung zugeführt. Dies macht deutlich, dass sich der Wildwuchs sehr wohl reduzieren lässt. Gleichzeitig kann auch eine Konformität zur Marktkommunikation hergestellt werden.
Den Business Case 1:1 abbilden
Die Verteilrechnung ist bei FRAPORT auf die Ebene der Teilflächen eines Gebäudes ausgerichtet. Dennoch sah die Verteilung im Altsystem eine Verteilung auf Einzelanlagen pro Raum vor. Die Umstellung der Verteilrechnung brachte also auch eine 1:1-Abbildung des tatsächlich stattfinden Geschäfts mit sich. Die Verbuchung der Abnahmemengen erfolgt nunmehr auf Basis der Netznutzungsmengen. Dabei kommen als Messarten sowohl Standardlastprofile (SLP) als auch die registrierende Lastgangsmessung (rLM) zum Einsatz.
Wie wurde die Digitalisierung der Verteilrechnung abgebildet?
Die Verteilrechnung Energie wurde auf Basis der Process Engine des „SAP Market Process Management for Utilities (MPM)“ implementiert. Man muss dabei vorausschicken, dass SAP IS-U im Standard keine Verteilrechnung Energie bereitstellt. Es handelt sich bei SAP IS-U um ein Framework zur Abbildung komplexer automatisierter Prozesse im SAP. Erst die individuelle Erweiterung des Standards ermöglichte bei FRAPORT die Verteilrechnung. Es gibt genau zwei Hauptprozesse zuzüglich der jeweils zugehörigen Stornoprozesse.
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Prozess „Mengenermittlung“
Im Prozess „Mengenermittlung“ wird auf Basis der Eingangsmengen und der im Gebäude direkt gemessenen Energieentnahmen die zu verteilende Menge je Gebäude und Energieart berechnet.
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Prozess „Mengenverteilung“
Der Prozess „Mengenverteilung“ verteilt die verteilrelevante Menge unter Berücksichtigung der Raumdaten (aus dem SAP RE/FX) und der implementierten Verteilmatrix (Regelwerk der Verteilung) auf die jeweiligen Räume und Flächen und speichert die Ergebnisse in einem für die Abrechnung passenden Format. Dieses Format kann mit dem SAP IS-U verarbeitet werden.
Die eigentliche Abrechnung gegenüber dem Kunden erfolgt mit der klassischen Energieabrechnung im SAP IS-U je Energieart. Auf der Rechnung werden dem Kunden alle relevanten Detaildaten aus der Verteilung dargestellt.
Was bringt eine solche Lösung für die Verteilrechnung als Massendatenverarbeitung?
Welchen Wert hat gesparte Zeit?
Fallen Schnittstellenprozesse weg, so kann auf Daten zu jedem Zeitpunkt direkt zugegriffen werden. Das hat zur Folge, dass Prozesslaufzeiten einfach kürzer werden. So die Theorie. Doch die Praxis bei FRAPORT hat gezeigt, dass dies tatsächlich genau so geschieht. Die Konsequenz daraus: dort, wo früher viermal im Jahr abgerechnet werden konnte, ist nun eine monatliche Abrechnung an der Tagesordnung. Eine monatliche Abrechnung bedeutet auch den Wegfall der Abschläge.
Das leistet SAP IS-U doch gar nicht
Wer sich mit der Verteilrechnung Energie länger auseinandersetzt, der wird zwangsläufig SAP IS-U (SAP for Utilities) als eine branchenspezifische Softwarelösung betrachtet haben. Dabei stellt man unschwer fest, dass eine
- flächenweise Verteilrechnung,
- m²-genaue Verteilung und
- Unterscheidung nach Nutzungsarten
dort nicht vorgesehen ist. Genau diese granulare Betrachtung aber setzt das Geschäftsmodell von FRAPORT voraus. Und genau das setzt die jetzt eingesetzte Lösung um. Wie ist das möglich?
„Anpassung der Verteilrechnung auf Lieferseite“
FRAPORT ist hier einen eleganten Weg gegangen und hat durch einen Integrationsspezialisten für Massendatenverarbeitung in komplexen Szenarien (NEA / Palmer AG) die Logik seines Geschäftsmodells in den Baustein SAP IS-U integrieren lassen. Dies umfasste auch das Konfigurieren und Parametrisieren von SAP IS-U, so dass die Geschäftsdaten wie
- Kunden,
- Verträge,
- Mietobjekte,
- Mietflächen,
- Stammdaten,
- monatliche Leistungsdaten rLM
und deren Beziehungen untereinander pflegbar wurden. Das Mengengerüst ist dabei durchaus anspruchsvoll.
- 20 verfasste Konzepte
- 200 erarbeitete & getestete Prozesse
- 25 definierte Benutzerrollen
- 600 SAP-Transaktionen
Klare Ergebnisse
Die Digitalisierung der Geschäftsprozesse mittels SAP IS-U löste letztlich die Eigenentwicklung für die Messdatenverwaltung und Abrechnung ab und führt nun die Verteilrechnung Energie integriert in SAP durch. Alle Abrechnungen erfolgen nun aus einem System heraus, die Komplexität der Anwendung konnte reduziert werden, was letztlich auch die Mitarbeiter der Fachabteilungen entlastet.
Verweise im Text
Nachfolgend die im Text zitierten Stellen.
- Datenformate EDI@Energy
bdew.de - FRAPORT Vermietungsmanagement
Fraport AG, Frankfurt Airport Services Worldwide, 60547 Frankfurt am Main
frankfurt-airport.com - NEA GmbH
NEA GmbH, Lortzingstraße 34, 97074 Würzburg
nea-gmbh.com - PALMER GRUPPE / Palmer AG
Palmer AG, Zeller Straße 30, 97082 Würzburg
palmer.ag (Case Studies)