Lieferantenmanagement: Die 10 goldenen Regeln!

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In Industrie und Handel ist die richtige Lieferantenauswahl entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens. Stockt der Nachschub oder stimmt die Qualität nicht, kaufen die Kunden woanders. Teil einer umfassenden Strategie für Logistik ist daher immer auch das Lieferantenmanagement.

Lieferantenmanagement ist nicht nur für große Unternehmen wichtig

Im Zeitalter der Digitalisierung können Endkunden von der Pizza bis hin zum kompletten Kühlschrank alles online bestellen – und bekommen es häufig innerhalb von 24 Stunden geliefert. Die Kehrseite dieses Fortschritts: Sowohl Handel als auch Dienstleister und Industrie müssen sich darauf einstellen, dass Kunden keine langen Lieferzeiten mehr akzeptieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn Mitbewerber in der Branche sehr kure Lieferfristen garantieren können.

In einigen Bereichen ist sogar eine mehrfache Belieferung an einem Tag Standard. Apotheken oder Werkstätten können benötigte Waren für ihre Kunden häufig bis zum Nachmittag beschaffen, wenn sie morgens bestellt werden. Damit solche Lieferungen reibungslos ablaufen können, ist ein gutes Lieferantenmanagement notwendig.

Für die Industrie ist das sogar noch wichtiger, seit viele Produktions- und Fertigungsabläufe auf die „just in time“-Methodik ausgelegt sind.

  • Der entscheidende Vorteil dabei ist, dass eine große und teure Lagerhaltung vermieden werden kann und die benötigten Waren immer zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen.
  • Der Nachteil ist, dass Unternehmen ihren Zulieferern damit nicht nur einen immensen Druck auferlegen, sondern ihnen auch eine gewisse Macht verleihen.

Etwa 70 Prozent der Wertschöpfung deutscher Industrieunternehmen findet heute bereits extern statt. Viele Unternehmen werden aber immer noch so geleitet, als sei dies nicht der Fall. Die Orientierung an der rein firmeninternen Wertschöpfungskette ist veraltet und trägt dazu bei, dass Kostenanalysen erschwert werden.

Da die Logistik dank Digitalisierung und Beschleunigung der Lieferantenleistung immer mehr durch externe Faktoren bestimmt wird, ist folglich die Kostenanalyse nicht vollständig, wenn man das Lieferantenmanagement nicht einbezieht.

In Industrie und Handel ist die richtige Lieferantenauswahl entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens.

In Industrie und Handel ist die richtige Lieferantenauswahl entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens.(#01)

Operatives versus strategisches Lieferantenmanagement

Es gibt zwei Arten von Lieferantenmanagement, die in vielen Unternehmen je nach Branche und eigener Philosophie genutzt werden. Teilbereiche können sich allerdings auch überschneiden, so dass manche Firmen beide Prinzipien zur Anwendung bringen. Der Hauptunterschied zwischen den Methoden ist schnell erklärt:

  • Operatives Lieferantenmanagement erfordert einen ständigen Vergleich der Einkaufspreise. Die Lieferantenauswahl richtet sich also hauptsächlich an der Preisentwicklung aus und weniger an der Beziehung zum einzelnen Lieferant. Langfristige Bindungen sind die Ausnahme.
  • Strategisches Lieferantenmanagement basiert auf prozessorientiertem Denken. Dabei wird weniger auf den kurzfristigen Tagesumsatz (und die damit verbundenen Lieferkosten) geachtet, sondern auf den Aufbau einer langfristig verfügbaren, zuverlässigen Lieferantenbasis mit entsprechenden Beziehungen. Dabei ist auch die Einbeziehung möglicher Alternativen zu beachten.

Welche Art von Lieferantenmanagement für das eigene Unternehmen in Industrie oder Handel ideal ist, muss jede Firmenleitung selbst entscheiden. Vor- und Nachteile gibt es bei beiden Modellen. Während die langfristige und zuverlässige Lieferkette beim strategischen Lieferantenmanagement für Produktion und Fertigung wichtiger ist, wird beim Einzelhandel oft kurzfristig (oder zumindest saisonal) gedacht.

Ein Supermarkt wird also eher nach operativem Management vorgehen, während ein Autohersteller mittel- und langfristig eine qualitativ hochwertige, preiswerte und zuverlässige Lieferantenleistung bevorzugen wird.

Welche Art von Lieferantenmanagement für das eigene Unternehmen in Industrie oder Handel ideal ist, muss jede Firmenleitung selbst entscheiden.

Welche Art von Lieferantenmanagement für das eigene Unternehmen in Industrie oder Handel ideal ist, muss jede Firmenleitung selbst entscheiden.(#02)

Die wichtigsten Punkte im Lieferantenmanagement

Der Ablauf ist im Lieferantenmanagement unabhängig vom gewählten Modell immer ähnlich. Es handelt sich stets um einen mehrstufigen Prozess, dessen Ziel die Aufnahme von Beziehungen zu einem Lieferanten ist.

Auf Grundlage der folgenden Punkte kann man sein Lieferantenmanagement ausrichten:

  • Die Lieferantenauswahl erfolgt nach einem Anforderungskatalog, der um Daten des aktuellen Risikoprofils und der qualitativen Kategorisierung (Standort, Branche etc.) ergänzt wird.
  • Das Risikoprofil wird im Rahmen einer entsprechenden Prüfung der Zuverlässigkeit erstellt.
  • Abhängig von der Risikobewertung sollten die Konditionen in den Vertragsverhandlungen entsprechend angepasst werden (z. B.: Wer trägt das Kostenrisiko bei Lieferausfällen?)
  • Beginn der Lieferantenbeziehung und Aufnahme in die Lieferantenbasis
  • Aktives Lieferantenmanagement: Überwachung und Beurteilung der Lieferantenleistung, Minimierung des eigenen Risikos durch detaillierte Datenerhebung und -auswertung

Insbesondere der letzte Punkt ist wichtig, denn man darf sich auf der einmal getroffenen Lieferantenauswahl nicht ausruhen. Die Voraussetzungen der Lieferantenbasis können sich ändern. Um die Zuverlässigkeit und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, sollten die Entscheidungen über die weitere Zusammenarbeit aufgrund von Datenerhebungen getroffen werden.

Großunternehmen setzen schon lange auf das sogenannte ERP-System (Enterprise Resource Planning), um das Lieferantenmanagement in Beziehung zu allen anderen Betriebsabläufen zu setzen. Moderne Softwarelösungen erlauben dies inzwischen auch in kleineren Unternehmen, die von einem intelligenten Lieferantenmanagement ebenso profitieren können.

Durch die Einbeziehung einer individualisierten Software können ERP-Systeme zu einer besseren Wettbewerbsfähigkeit auf allen Ebenen beitragen. Eine komplette Automatisierung ist dadurch theoretisch möglich, wenngleich nicht in jeder Branche zielführend.

Video: Welche Kriterien hat eine Lieferantenbeurteilung?

Der Anforderungskatalog im strategischen Lieferantenmanagement

Im Anforderungskatalog beschreiben Abnehmer das, was sie vom Lieferanten erwarten und welche Auswirkungen bestimmte Faktoren auf den innerbetrieblichen Ablauf haben können.

Dabei sind folgende Fragen zu beantworten:

  • Wie hoch sind die Zusatzkosten bei qualitativen Mängeln der Produkte?
  • Können die Kapazitäten kurzfristig auf wechselnde Nachfrage beim Abnehmer angepasst werden?
  • Wie wirken sich Lieferausfälle auf das eigene Unternehmen aus?
  • Welchen Kostenvorteil bringt das strategische Lieferantenmanagement für das Unternehmen?

Weiterentwicklung des Unternehmens beeinflusst auch das Lieferantenmanagement

Stillstand ist Rückschritt. Diese Weisheit kennen alle Unternehmer. Ob eine Änderung der Produktpalette, Verbesserungen der Abläufe in der Industrie oder eine neue Strategie im Einzelhandel: Immer, wenn sich ein Unternehmen verändert, muss sich auch die Lieferantenbasis umstellen.

Zulieferer in der Automobilindustrie müssen beispielsweise bei der Produktion von Ersatzteilen und Zulieferprodukten kurzfristig auf Bedarfsänderungen des Autoherstellers reagieren können. Kann sich das Leistungsniveau des Lieferanten nicht dem Tempo der Abnehmer anpassen, müssen Alternativen gefunden werden.

Für Unternehmer bedeutet das, sich nach Möglichkeit niemals nur von einem (oder wenigen) Zulieferern abhängig zu machen. Man kann zwar das Risiko durch die zu Beginn erfolgte Risikobewertung bei der Lieferantenauswahl abschätzen, doch Änderungen oder plötzliche negative Entwicklungen beim Zulieferer können den Abnehmer in Schwierigkeiten bringen, weil die Lieferkette unterbrochen wird.

Je spezialisierter die Logistik bzw. die Produkte sind, desto größer ist diese Gefahr. Daher ist die Risikobewertung immer der aktuellen Entwicklung anzupassen.

Video: Total Quality Management (TQM & EFQM) einfach erklärt – Qualitätsmanagement in Unternehmen

Total Supplier Management gestaltet Wertschöpfungsketten

Das Prinzip, das im strategischen Lieferantenmanagement zur Anwendung kommt, kann natürlich weiter verfeinert werden. Angelehnt an das bekannte „Total Quality Management“ bei der Produktion japanischer Automobile, wurde mit dem Total Supplier Management ein Äquivalent der Effizienz und Planungskompetenz im Rahmen der Logistikstrategie geschaffen. Dabei wird von dem Gedanken einer nahezu symbiotischen Beziehung zwischen Abnehmer und Lieferanten ausgegangen, die neue Wertschöpfungsketten generieren kann.

Ein großer Verfechter dieser Methode ist der renommierte Professor Robert Dust, der an der TU Berlin auf dem Fachgebiet Qualitätsstrategie und Qualitätskompetenz unterrichtet. Besonders der ganzheitliche Ansatz des TSM sticht dabei hervor. Die Lieferantenbasis wird also nicht mehr nur isoliert betrachtet und bewertet, sondern in Verbindung mit eigenen Unternehmensbereichen in die Wertschöpfung einbezogen.

Typisch dafür sind die folgenden sechs Elemente:

  • Eine zentrale Organisation kümmert sich um die Koordinierung aller Maßnahmen, die sowohl das eigene Unternehmen als auch den Lieferanten betreffen.
  • Die fortgesetzte Lieferantenbewertung ist die maßgebliche Entscheidungsgrundlage, die Fakten und Zahlen über die Leistungsfähigkeit und Effizienz des Zulieferers bietet.
  • Externe Verbesserung der Lieferantenleistung durch bereichsübergreifende Analyse von Prozessen und Problemen. Wichtig dabei: Immer gemeinsam mit dem Lieferant, nicht gegen ihn.
  • Prozessoptimierung im Unternehmen deckt Schwachstellen in der eigenen Organisation des Betriebs auf und behebt die Ursachen.
  • Die ständige Kommunikation zwischen Abnehmer und Lieferant ist essentiell für eine transparente Analyse der Prozessoptimierung. Dabei müssen Erfolge und Misserfolge gleichermaßen berücksichtigt werden.
  • Abhängig vom eigenen Anforderungskatalog und der Lieferantenleistung sollte man das Risikomanagement anhand entsprechender Filterkriterien ständig erneuern. Hierbei fließen beispielsweise Insolvenzen, Anlaufschwierigkeiten in der Produktion und Unterbrechungen im Lieferfluss in die Szenarien ein, um die Auswirkungen im Ernstfall zu begrenzen.
Früher war das Lieferantenmanagement vor allem etwas für Großunternehmen wie Automobilhersteller oder ähnliche Giganten.

Früher war das Lieferantenmanagement vor allem etwas für Großunternehmen wie Automobilhersteller oder ähnliche Giganten.(#03)

Fazit: Intelligentes Lieferantenmanagement geht (fast) jedes Unternehmen an

Früher war das Lieferantenmanagement vor allem etwas für Großunternehmen wie Automobilhersteller oder ähnliche Giganten. Mittlerweile haben die zunehmende Digitalisierung und die Revolution in der Logistik dafür gesorgt, dass auch kleinere und mittlere Unternehmen die Vorteile eines geschickten Lieferantenmanagements für sich nutzen können – und das auch tun sollten.

Vereinfacht wird dies durch individuelle Softwarelösungen, doch am wichtigsten ist, die Kommunikation mit den Lieferanten auszubauen, damit Probleme und Risiken frühzeitig erkannt und eliminiert werden können. Die zwischenmenschliche Kommunikation kann die Software bislang nicht ersetzen.


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