Die „Smart Factory Mittelhessen“ an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) stellt eine wegweisende Initiative dar, um kleinen und mittelständischen Unternehmen den Nutzen und die Chancen der Industrie 4.0 näherzubringen. Bisher war es für diese Unternehmen schwierig zu verstehen, wie sie von den Entwicklungen im Rahmen der Industrie 4.0 profitieren können. Dank des Engagements der THM sowie der Bereitstellung öffentlicher Fördermittel und Stiftungen heimischer Unternehmen hat sich dies jedoch geändert. Die „Smart Factory Mittelhessen“ dient als lebendiges Beispiel für die Umsetzung der Industrie 4.0 und bietet kleinen und mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit, praktische Erfahrungen zu sammeln, neue Technologien kennenzulernen und ihr eigenes Potenzial auszuschöpfen.
Gießener Real-Labor zeigt: Automation und Roboterkollaboration für jedes Unternehmen zugänglich
Im Gießener Real-Labor wird ein bedeutender Schritt in Richtung Demokratisierung der Automation von Fertigungsprozessen und der Zusammenarbeit mit Robotern gemacht. Hier wird nicht nur gelehrt und geforscht, sondern vor allem demonstriert, dass diese Technologien nicht länger nur den Großkonzernen vorbehalten sind. Prof. Dr. Christian Überall, der die Einrichtung mit dem Kürzel SFM aufgebaut hat und leitet, betonte bei der offiziellen Eröffnung, dass das Ziel darin besteht, die Konzepte der Industrie 4.0 so zu vermitteln, dass jedes produzierende Unternehmen davon profitieren kann. Diese Initiative soll dazu beitragen, dass auch kleinere Unternehmen Zugang zu den Vorteilen der modernen Fertigungstechnologien erhalten und wettbewerbsfähig bleiben.
Die Finanzierung für das Projekt setzt sich aus verschiedenen Quellen zusammen. Neben einem Betrag von 500.000 Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung wurden weitere 380.000 Euro vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der WI-Bank zur Verfügung gestellt. Die Anträge, Ausschreibungen und Beschaffung wurden von Martina Hütten aus dem Referat „Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs“ der Hochschule sowie Britta Dietz aus der Haushaltsabteilung koordiniert. „Ohne ihre Unterstützung wäre eine schnelle Umsetzung nicht möglich gewesen“, bedankte sich Überall. Die Investitionen wurden in eine breite Palette von Technologien getätigt, darunter ein 3D-Drucker, autonome Flurförderfahrzeuge, eine CNC-Fräse, eine Spritzgussmaschine und ein vollwertiger Industrieroboter. Überall betonte, dass alle diese Technologien miteinander kommunizieren können. Sollte dies nach dem Auspacken noch nicht der Fall sein, werde dafür gesorgt.
Dr. Anne-Kathrin Roth, Vertreterin der Stiftungsunternehmen, erhielt eine vollständig autonom gefertigte Handyhalterung während einer Demonstration. In dieser beeindruckenden Vorführung wurde gezeigt, wie die Technologie miteinander kommuniziert. Das Produkt, das in der SFM (Stiftungsunternehmen für Fertigungstechnik und Mikroelektronik) hergestellt wird, ist äußerst simpel, aber dennoch ein großartiges Mitbringsel: eine umweltverträgliche Handyhalterung. Dr. Anne-Kathrin Roth hatte die Möglichkeit, im Webshop der SFM eine individuelle Halterung auszuwählen. Sobald sie ihre Auswahl getroffen hatte, setzte sich eine kleine Armada von Robotern in Bewegung. Sie holten die benötigten Einzelteile aus dem Regal, fuhren zu ihren jeweiligen Bearbeitungsplätzen, wo sie beschriftet und zusammengesetzt wurden, um schließlich in einer Versandtasche zu landen.
Prof. Überall erklärte, dass für den gesamten Prozess kein menschliches Eingreifen erforderlich sei. Es seien weder das Schreiben von Dateien noch die Bedienung von Maschinen und Werkzeugen notwendig. Trotzdem habe man die SMF bewusst als kollaborative Einrichtung für Mensch und Maschine konzipiert, da auch in den meisten Produktionshallen heute und in Zukunft weiterhin Menschen tätig sein würden. Im Produktionsprozess der Handyhalterung sei kein menschliches Eingreifen erforderlich. Dies ermögliche es den Menschen, sich gefahrlos innerhalb der Fabrik zu bewegen, während die Technik Rücksicht auf sie nehme und gegebenenfalls Vorgänge unterbreche oder selbstständig alternative Wege suche, um Kollisionen zu vermeiden. Dies gelte unabhängig davon, ob es sich um eine Handyhalterung oder ein deutlich komplexeres Produkt handle.
Die Smart Factory Mittelhessen plant, neben den bereits angebotenen Lehrveranstaltungen, regelmäßig auch für interessierte Vertreter aus der Wirtschaft ihre Türen zu öffnen. Christian Überall, ein Sprecher der Einrichtung, erklärte, dass die Besucher lediglich darüber nachdenken müssen, wie sie die Prozesse in der Smart Factory auf ihre eigene Produktion übertragen können. Bei der Eröffnung zeigten auch Vertreter von HessenMetall sowie den Industrie- und Handelskammern Gießen-Friedberg und Lahn-Dill großes Interesse an einer möglichen Zusammenarbeit.