Die Anforderungen an Software für Stadtwerke sind gestiegen. Dies ist vornehmlich dem sich schnell wandelnden Markt geschuldet. Das Produktportfolio von Stadtwerken öffnet sich und auf der Suche nach zusätzlichen Ertragsquellen nehmen Energieversorgungsunternehmen (EVU) zusehends Non-Commodity-Dienstleistungen auf. Was für den Verbraucher eine smarte App oder ein One-Stop-Portal ist, bringt die Software-Landschaft der Stadtwerke oft an ihre Grenzen. Doch welche Software kann all das abbilden? Und wohin geht der Weg?
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
Berührt Software für Stadtwerke: die 2020er PwC-Studie
PwC hat zu Beginn des Jahres 2020 seine Marktstudie ERP-Systeme in der Energiewirtschaft aus dem Jahr 2014 geupdated.
Drei Herren dienen
Völlig richtig sieht PwC die großen Herausforderungen der EVU aus
- Regulierung,
- Digitalisierung und
- Kundenanforderungen an
Darüber hinaus skizziert man die IT-Landschaften der EVU mit ihren über Jahrzehnte gewachsenen Insellösungen, welche einer zielführenden Digitalisierung im Wege stehen – mit allen Konsequenzen wie ineffizienten Prozessen und nicht synchronisierten, verteilten Datenbeständen.
Der Spagat der Stadtwerke
Den Umbruch managen
Stadtwerke stehen in der Rolle als Energieversorger dem Wandel der Usancen und der Technik gegenüber. Viele Serviceprozesse wie Anfragen über Social Media oder Portale werden heute in Echtzeit oder zumindest mit minimaler Verzögerung bearbeitet. So erwartet es der Verbraucher, der diesen Service von digitalen Unternehmen wie ebay und Zalando schon länger zu schätzen weiß und rege nutzt. Ziehen Stadtwerke nach, darf es nach außen nicht aussehen wie ein 100-Meter-Sprint auf Stöckelschuhen. Doch was passiert mit dem Serviceangebot?
Werden Plattformen nicht bedient, bringt dieses Servicedefizit Nachteile im Wettbewerb. Werden die Plattformen einbezogen resultiert dies oft mit hohen Prozesskosten. Verbraucher stellen hier gnadenlos die gleichen Anforderungen wie an nativ digitale Unternehmen wie Amazon, Google & Co.
- „Wie lange darf ein Anbieterwechsel dauern? Wie lange ein Tarifwechsel?“
- (Bastian Naurath, typzwo, Prozessexperte)
Die neue Infrastruktur beherrschen
Eine große Herausforderung ist die Veränderung der technischen Infrastruktur. Messdaten fließen den Stadtwerken durch das IoT (Internet of Things, zu Deutsch: das Internet der Dinge) zunehmend digital zu, müssen von Software zuverlässig gesammelt, verarbeitet und als Big Data ausgewertet werden. Dies stellt neue Anforderungen an Abrechnung und Administration.
Die Suche nach der perfekten Lösung
Die Software für Stadtwerke wird oftmals aus einem Mosaik von Bausteinen zusammengesetzt. Ein Lösungsanbieter stellt seine ERP-Software bereit. Partner klinken ihre Lösungen dort ein, flanschen Module an. Während eine Lösung aus einem Guss wünschenswert wäre, kommen so oftmals teilhybride Software-
Landschaften aus der Hand eines Anbieters bei Stadtwerken zustande, was gegenüber der derzeitigen Situation der Insellösungen nur eine teilweise Verbesserung darstellt.
Neue Anforderungen der Stadtwerke von Morgen
Die PwC-Studie hat einerseits die etablierte Landschaft an Software-Anbietern für die Energiewirtschaft beleuchtet, andererseits aber auch deutlich gemacht, dass die Stadtwerke (in ihren Rollen als Energieversorger) der Zukunft mit neuen Herausforderungen entgegentreten werden. Die spannende Frage ist in diesem Zusammenhang, ob man die Software der Alt-Anbieter wirklich auf den neuen Level heben kann – und will. Die Veränderungen, welche in der Gesellschaft stattfinden und ihren Niederschlag im Tagesgeschäft der Stadtwerke finden, sind enorm. Soll man hier halbherzig etwas draufsatteln oder nicht doch gleich auf eine junge Software setzen, welche die Bedürfnisse der Kunden der Stadtwerke direkt 1:1 abbildet und damit auch den Zeitgeist einfängt?
PwC hat sehr treffend einige Anforderungen an die Software von Morgen formuliert. Die aus unserer Sicht wirklich relevanten Anforderungen aus der Studie sind diese:
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Kundenindividuelle Produkte
Die Produktpalette von Stadtwerken ist Veränderungen unterworfen. Kommen neue Serviceleistungen und Produkte hinzu, sollten diese den Kunden natürlich auf ein und derselben Rechnung berechnet werden können.
Werden die Produkte komplex, lässt man sich leicht dazu verleiten, eine Speziallösung für diesen Bereich einzusetzen. Das führt auf Dauer zu Insellösungen, welche parallel existieren und daher mit hohen zusätzlichen Kosten verbunden sind. Auch individuelle Erweiterungen von Standardsoftware führen durch das Abkommen vom Standard zu Folgekosten in der Zukunft.
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Flexible Preisstrukturen
Während Abrechnungsmodelle früher auf Jahre tauglich waren, erfordert der Markt heute – und vermutlich morgen noch – mehr die Möglichkeit, diese Preismodelle an aktuelle Marketing- und Vertriebskonzepte anzupassen.
Das Risiko besteht hier, dass die eingesetzte Software zwar seit Jahr und Tag bewährt ist, doch diesen Sprung in die Zukunft wenn überhaupt, dann nur mit kostenpflichtigen Zusatzmodulen wird leisten können. Wesentlich interessanter wäre es doch, wenn eine Stadtwerke-Software es zuließe, für
Produkte einfach neue Preismodelle zu erstellen, ohne die Software verlassen zu müssen.
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360-Grad-Kundensicht
Der Kunde der Stadtwerke unterscheidet nicht nach Produkten und Dienstleistungen. Für ihn sind Stadtwerke mittlerweile für eine Reihe von Bedürfnissen ein One-Stop-Shop. Das beginnt bei Energie und geht weiter beim Schwimmbad und hört bei Non-Commodity-Produkten, wie zum Beispiel Elektromobilität mit Ladestruktur, nicht auf.
Für viele Stadtwerke zergliedert sich das Portfolio organisatorisch auf unterschiedliche Abteilungen, die oftmals nur ihre eigene Sicht auf den Kunden haben. Eine 360-Grad-Kundensicht lässt sich jedoch nicht nur mit zentralem Billing abbilden. Die Integration aller Daten aus der Kundenbeziehung ist hier ebenso wichtig wie Analyse der Daten und Prognosen des Kundenverhaltens und ein Scoring. Letztlich kann nur so der tatsächliche Customer-Lifetime-Value ermittelt werden.
Wollen Stadtwerke aber in Zukunft bestehen können, müssen diese die gleiche ganzheitliche Sichtweise auf den Kunden haben, wie dieser umgekehrt auf die Stadtwerke. Hat man sich hier für einen Zoo von Insel- und Partnerlösungen entschieden, ist es oft schwer, die Daten für diese ganzheitliche Kundensicht zusammenzuführen.
Die abschließende Gretchenfrage lautet hier:
- „Müssen eine Kilowattstunde und eine Monatskarte fürs Freibad wirklich verschiedene Produkte sein?“
- (Bastian Naurath, typzwo, Prozessexperte)
Diese Frage kann ad hoc nicht beantwortet werden. Die Studie fördert dennoch interessante Ansätze zu Tage, obwohl sie sich lediglich auf die Energiewirtschaft fokussiert. Diese Perspektive reicht für die Betrachtungsweise von Stadtwerken jedoch nicht aus.
Quo vadis, Stadtwerke?
Wo führt der Weg hin? Fest steht, dass Software für Stadtwerke neu gedacht werden muss. Hier muss deutlich mehr möglich sein, als „ERP mit Schnittstellen“, wenn man nicht gleich wieder auf Jahre in Abhängigkeiten gefangen sein will.
Allerdings lässt die Einführung einer umfänglichen Lösung, die gleichzeitig flexibel und einfach zu bedienen ist sowie ein umfassendes Cockpit für den Kunden darstellt, vermuten, dass dieses Projekt eine Herkulesaufgabe wird. Umso interessanter ist der Bericht eines Anbieters, der im letzten Jahr die Migration von über 300.000 Kunden in nur drei Monaten bewerkstelligt hat.
Eine Software für Stadtwerke als Lichtblick
Zu Beginn 2020 hatte E.ON aufgrund der Innogy-Übernahme die Auflage des Kartellamtes bekommen, seine Heizstromkunden abzugeben. Übernommen wurden diese Kunden von der LichtBlick SE. Für die Abrechnung dieser Kunden wurde erstmals die neue Abrechnungssoftware „Billito“ des renommierten deutschen Softwarehauses SUBITO AG eingesetzt.
Besonders beeindruckend sind die Kennzahlen des Projektes: über 370.000 Verträge, 8.000 Produkte und rund 1,5 Mio. Dokumente wurden in nur drei Monaten mehrheitlich aus SAP IS-U migriert. Die Software für Stadtwerke „SUBITO Billito“ dient dabei als vollumfängliches Abrechnungssystem in der Rolle Lieferant mit den Modulen Abrechnung, Marktkommunikation, EDM, Buchhaltung (Nebenbuch) und Dokumentenserver. Alle nötigen etablierten externen Anbieter sowie übergeordnete Kundensysteme wurden ebenfalls angebunden.
Dieses Projekt zeigt einmal mehr auf, dass es auch in Deutschland etablierte Softwareanbieter gibt, welche die Herausforderungen der heutigen Zeit angenommen haben und mit völlig neuen Wegen die Bedürfnisse der Kunden bedienen. Deutschlands digitale Wettbewerbsfähigkeit wird eben wie so oft von Hidden Champions vorangetrieben.
Quellen:
- Produkt Billito auf der SUBITO-Website: www.subito.de/subito-billito/
- Projektsteckbrief auf SUBITO-Website: www.subito.de/…/Projektbericht.pdf
- Webseite der LichtBlick SE
- Die Studie von PwC zur Digitalisierung der Energieversorger