SAP Fiori Apps nehme ich heute mal als Einstieg für eine Artikelserie über den Wandel der SAP Plattform. Mit jedem neuen SAP-Produkt kommen Hoffnungen und Ängste bei den Kunden auf: Hoffnungen auf ein Mehr an Leistung und Flexibilität, aber auch Ängste, dass SAP mal wieder die Preisschraube anziehen könnte. Diesen Artikel zu schreiben, habe ich mir seit dem Erscheinen von SAP Work Zone vorgenommen, doch es brauchte etwas Zeit, bis ich dem Artikel von Frank Scavo von Strativa wieder begegnete. Er hatte schon vor einiger Zeit das Thema aufgegriffen und perfekt beleuchtet.
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
SAP Fiori Launchpad und seine Apps
Im Jahr des Launchs von SAP Fiori 2014 ( und womöglich auch schon 2013 kurz nach der Ankündigung ) gab es eine Diskussion, ob SAP seinen Bestandskunden die Apps des SAP Fiori Launchpad womöglich kostenfrei anbieten sollte. Die Vertreter der Pro-Fraktion sehen im SAP-Wartungsprogramm eine gute Grundlage, dies wirtschaftlich abzubilden. Für manchen langjährigen SAP-Kunden wäre dies zudem sehr willkommen gewesen, wie man in der noch folgenden Argumentation dieses Artikels noch feststellen und nachvollziehen können wird.
Die Preispolitik von SAP ist für Außenstehende ohnehin nicht leicht zu verstehen. Insbesondere rund um den SAP Fiori Launchpad ist dies nochmals intransparenter, als dies eine Welt in der Welt darstellt. Ich erlaube mir, zu meinen eigenen Worten die Argumente von Frank Scavo hinzuzufügen, denn ich kann seine Gedankengänge sehr gut nachvollziehen. Doch darüber später mehr.
Was ist SAP Fiori?
SAP Fiori ist ein ungewöhnliches neues Designkonzept. SAP Fiori vereinfacht die Nutzung von SAP Anwendungen und personalisiert sie. Für SAP war das Erscheinen von SAP Fiori ein Quantensprung. Für Jahrzehnte war SAP dafür verschrieen, eine antiquierte Benutzeroberfläche zu besitzen. SAP Fiori katapultierte die SAP Anwendungen nicht völlig in die Gegenwart, aber zumindest aus der Steinzeit heraus und das SAP Fiori Launchpad verlieh den alt gedienten SAP Anwendungen als zentraler Einstiegspunkt für Fiori Apps auf mobilen und Desktop Geräten eine Benutzerfreundlichkeit, die sich mit vielen Consumer Apps durchaus messen konnte.
Die SAP Fiori Apps wurden von SAP neu geschrieben. Sie bilden die am häufigsten genutzten SAP-Funktionen ab. Dazu zählen
- Workflow-Genehmigungen
- Informationssuche
- Self-Service-Aufgaben
Der SAP Fiori Launchpad (und auch die SAP Fiori Apps!) bietet zudem einen recht hohen Grad an Benutzerfreundlichkeit sowohl auf Desktops wie auch auf Tablets und Smartphones.
Video von Thomas Michael: Kurzeinführung „Was ist SAP Fiori?“
Thomas Michael stellt mit 20jähriger Expertise das SAP Fiori System in Kürze vor. Es ist als Refresh ( oder Schnelleinstieg ) für all jede gedacht, die sich die wichtigsten Fakten nochmal ins Gedächtnis rufen wollen. Beispiele für SAP-Fiori-Apps für Manager werden wir in Kürze in diesem Artikel ergänzen. Für die Beispiele bitte ich um etwas Geduld.
Welche SAP Fiori Apps gibt es?
Was der Einzelhandel als Omnichannel fordert, das ist in SAP Fiori umgesetzt. Omnichannel steht als Begriff für die zeitgleiche Nutzung zweier oder mehrerer Channels. Dies kann der Einkauf im Schuhgeschäft (Ladenlokal) sein, bei dem der Nutzer parallel sein Smartphone benutzt, um im Produktkatalog zu blättern. Bezeichnend ist hier vor allem die Konsistenz der Kanäle untereinander. Dies bedeutet, dass die auf Channel 1 gespeicherten Daten, Einstellungen und Konfigurationen zeitgleich auf allen anderen Channels ebenfalls verfügbar sind. Was im Einzelhandel mit Omnichannel möglich ist, das ist auch mit SAP Fiori möglich: ein nahtloses und einheitliches Nutzererlebnis. Statt der physischen Kanäle (offline) und digitalen Kanäle (online) des Einzelhandels ist hier eine echte Integration der verschiedenen Endgeräte gelungen. Ein Prozess kann auf dem Desktop begonnen, auf dem Tablett (z.B. im Lager) fortgeführt und auf dem Smartphone abgeschlossen werden. Technische Grundlage hierfür ist das SAP UI 5, das (damals) neue SAP-Framework für Benutzeroberflächen.
Diese drei Arten von SAP Fiori-Apps gibt es:
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SAP Fiori-Apps „Transaktions-Apps“
Die Transaktions-Apps ermöglichen es Benutzern, SAP-Transaktionen wie Urlaubsanträge oder Freigaben von Prozessen wahlweise auf Desktop-, Tablet- oder Smartphone-geräten auszuführen.
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SAP Fiori-Apps „Fact Sheets“
Für Geschäftsobjekte bieten die Fact Sheet Apps eine Möglichkeit des Zugriffs mit „Drill-Down“-Option. Wer sich mit der Fact Sheet App einen Vertrag anzeigen lässt, der kann vor dort aus zu anderen verwandten Entitäten navigieren:
- Kontaktdaten der Geschäftspartner
- Vertragsgegenstände
- Vertragsbedingungen
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SAP Fiori-Apps „Analytische Apps“
Man könnte die Analytical Apps fast als Dashboards bezeichnen. Nutzer ziehen hier KPIs und aggregierte Informationen aus dem Unternehmen.
Die Liste der Apps ist Legion geworden. Aus den ehemals dreimal 25 Apps sind grob 3.000 entstanden.
Noch ein abschließendes technisches Wort zu SAP Fiori: Die SAP Fiori Apps können nicht sämtliche SAP-Prozesse abbilden. Dies liegt vordringlich an der Komplexität der Prozesse, die man nicht wirklich auf einem Smartphone händeln kann. Dennoch war SAP Fiori vom ersten Moment an richtungsweisend gewesen. Mit SAP Screen Personas können Benutzer die Standard-SAP-Bildschirme konfigurieren. Das kann bedeuten, dass bestimmte nicht benötigte Felder entfernt werden oder sie werden an anderer Stelle platziert.
Die SAP Preisgestaltung
In einem Artikel von John Appleby – ein SAP-Experte von Bluefin Solutions – wird die Gebühr für SAP Fiori pro Benutzer mit 150 Dollar beziffert. Die Gebühr gewärt den Zugriff auf alle bestehenden und zukünftigen SAP Fiori Apps. Die Gebühr wirkt auf den ersten Blick sehr niedrig. Wenn der Nutzer allerdings nur zwei oder drei SAP Fiori Apps nutzt, kann man das schon als sehr happig empfinden. Ein Unternehmen mit 50.000 oder 100.000 oder mehr Mitarbeitern muss dann jedoch 7,5 Millionen Dollar oder 15 Millionen Dollar oder noch mehr an Gebühren entrichten. Auch dann, wenn die Mitarbeiter ausschließlich ihre Gehaltsabrechnungen mit SAP Fiori ansehen dürfen.
Wofür zahlen SAP-Kunden Wartung?
Wenn man den aktuellen Wartungspreis von SAP mit 22% der Lizenzgebühr ansetzt, dann hat der SAP-Kunde in knapp fünf Jahren seine SAP-Produkte ein zweites Mal erworben. Dieser Gedanken ging Frank Scavo durch den Kopf – und ehrlicherweise auch mir. Viele SAP Kunden betrachten SAP Fiori als Erweiterung der bereits lizenzierten SAP Produkte. Für diese stellt sich die berechtigte Frage, warum nun erneut Geld zu zahlen sei. Die Frage stellt sich seit dem Erscheinen von SAP Work Zone erneut mit einer gewissen Berechtigung.
Frank Scavo adressiert auch die Geschäftspraktik des SAP Vertriebs. Während Bestandkunden für SAP Fiori Apps zahlen sollen, wird SAP Fiori bei Neukunden als Teil des Gesamtgeschäfts gesehen. Das sorgte natürlich für böses Blut unter den Kunden. Warum soll man für SAP Fiori 150 Dollar pro Nutzer zahlen, wenn das gleiche Produkt bei anderen Geschäften einfach ins Bundel mit hineingelegt wird? Frank Scavo drückt es andersherum aus: wenn Sie nicht bereit sind, etwas mehr von SAP zu kaufen, müssen Sie für SAP Fiori bezahlen.
Wie hält es der Wettbewerb mit den Preisen?
Viele sagen, dass Wettbewerber von SAP es nicht anders halten. Doch da unterscheiden sich die Anbieter doch ein wenig. Workday – Anbieter der Cloud-ERP-Lösung für Finanzen, HR und Planung – führte vor einiger Zeit eine neue Benutzeroberfläche und einen umfassenden mobilen Support ein. Dabei bürdete er den Bestandskunden eben keine neuen Gebühren dafür auf. Innovationsmanagement geht offensichtlich auch anders. Auch bei Salesforce.com hat mit seiner Salesforce1-Plattform Innovationen ohne neue Gebühren für Bestandskunden eingeführt. Es geht also. Man muss nur wollen.
Als Microsoft Dynamics ein vollständiges Marketing-Automatisierungssystem aus der Übernahme von Marketing Pilot, ein Social-Media-Listening-System aus der Übernahme von Netbreeze und ein neues Service-Desk-System aus der Übernahme von Parature einführte, kündigte man dies für Unternehmensbenutzer der obersten Benutzerebene kostenfrei an.
Hürden bei der Einführung der SAP Fiori Apps
Hürde 1: Aktualitätsgrad der SAP-Produke
Um SAP Fiori Apps nutzen zu können, benötigt man von den SAP Produkten die aktuellen Releases. Doch wer SAP einsetzt, hat sich womöglich über das SAP-Konzept der Erweiterungspakete gefreut. Man updatet nur das, was man wirklich benötigt. Doch denkt man jetzt an den Einsatz von SAP Fiori Apps, dann muss man feststellen, dass die eigenen SAP Release Stände eine völlig heterogene Landschaft darstellen.
Zwar stellt SAP auf der Webseite alle Voraussetzungen für jede einzelne Fiori App bereit, doch es kann einen erheblichen Aufwand bedeuten, die Updates durchzuführen.
Hürde 2: SAP HANA
Die neue In-Memory-Datenbank von SAP ist Grundvoraussetzung für den Einsatz von SAP Fiori Fact Sheet Apps und SAP Fiori Analytic Apps. Für Fiori Transaktions-Apps darf man auch andere Datenbanken einsetzen, doch Frank Scavo berichtet von Erfahrungen, dass ohne SAP HANA die Leistung von SAP Fiori-Transaktions-Apps auf Mobilgeräten sehr langsam ist. Da bleiben wenig Alternativen.
Hürde 3: die Realität
Die Einführung von SAP Fiori macht ein Upgrade der SAP Produkte nötig. Dies erfordert eine gewisse Infrastruktur, aber auch einen Satz an Fachwissen. Möglicherweise gibt es nur wenige SAP-Kunden, welche die passende Infrastruktur verfügbar haben und zudem über genügend internes Know-How verfügen, SAP Fiori zu implementieren.
Im Jahr 2014 hatten von etwa 40.000 SAP Business Suite-Kunden nur etwa 1.000 Business Suite auf HANA erworben. Wieviele davon in Betrieb sind, ist offen. Selbst wenn alle in Betrieb wären, wäre das etwa 3% der Business Suite-Kunden. Damit steht fest, dass SAP Fiori nicht ohne Weiteres flächendeckend implementiert werden kann, solange das SAP HANA Problem nicht gelöst ist.
Ketzerfrage: was würde passieren, wenn SAP die neue Software verschenkt?
Betrachtet man die Antwort von Frank Scavo, fragt man sich, warum SAP nicht diesen Weg geht. Wer SAP Fiori kostenfrei bekommen kann, wird sich sicher rasch entschließen, SAP HANA einzuführen. Die Kunden zum Wechsel auf HANA zu bewegen, wäre für SAP sicher ein größerer Zugewinn, als als der Lizenzerlös für SAP Fiori. Aber warum sollte SAP so denken?
Grund 1: Push der Produktstrategie
SAP setzt bei seiner Produktstrategie auf SAP HANA. Will SAP seiner Strategie treu bleiben, müssen möglichst viele Kunden dazu bewegt werden, zu SAP HANA zu konvertieren. Vordergründig bietet SAP HANA mehr Geschwindigkeit für die SAP Anwendungen. Dies alleine ist jedoch für viele Unternehmen kein Beweggrund für einen Wechsel. Wer dann jedoch SAP Fiori einsetzen kann, wird die Nutzererfahrung mit den Apps deutlich verbessern.
Grund 2: Höherer Abverkauf von Lizenzen
SAP Fiori Apps können nur von Lizenzinhabern von SAP Produkten eingesetzt werden. Wenn mehr Personen SAP Fiori Apps nutzen sollen oder möchten, dann muss das Unternehmen mehr Benutzer für SAP-Produkte lizenzieren.
Fazit
Gebühren für den Erwerb der SAP Fiori Lizenzen sind gleich ein doppelter Fehler. Zum einen sind SAP-Kunden verärgert, weil sie am Gegenwert der Wartungsgebühren zweifeln müssen. Zum anderen verschenkt SAP die Fiori Apps an anderer Stelle, wenn diese im Bundle und als Teil eines größeren Geschäfts verkauft werden. Es würde SAPs Glaubwürdigkeit stärken, wenn Fiori kostenfrei an Bestandskunden gegeben wird.
Die Quartalsergebnisse von SAP belegen, dass das Kerngeschäft von SAP – der Verkauf seiner Business Suite – rückläufig ist. Da wäre es angebrachter, die bestehenden Kunden mit innovativen Produkten zu binden. Die Frage stellt sich jetzt erneut, seit SAP Work Zone auf dem Markt ist. Der Innovationsschub ist nicht zu übersehen. Doch wieder fallen hier Gebühren an.