Die Haftpflichtversicherung in Deutschland soll davor schützen, durch hohe Forderungen in die Insolvenz zu gehen. Das gilt auch für Hersteller von Medizinprodukten. Probleme gibt es, wenn die Versicherung zu gering ausfällt.
Fehlerhafte Medizinprodukte sind keine Seltenheit
Die Geschichten rund um Fehlerhafte Medizinprodukte sind keine neuen Berichte, um die Zeitungen zu füllen. Tatsächlich beschäftigen sich Versicherungen, Ärzte und Patienten sowie Gerichte seit Jahren mit diesem Thema. Wer ein Medikament durch den Arzt verschrieben bekommt und sich dieses aus der Apotheke holt, der ist erst einmal auf der sicheren Seite. Die Medikamente, die in Deutschland ausgegeben werden, sind geprüft. Anders sieht es jedoch mit den Medizinprodukten aus.
Von der künstlichen Hüfte über die Brustimplantate bis hin zum Herzschrittmacher ist die Liste der Produkte lang. Mindestens ebenso lang ist die Liste der Mängel, die hier immer wieder auftreten. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Prüfung der Produkte. Tatsächlich ist es lediglich notwendig, dass die Medizinprodukte mit einem CE-Kennzeichen versehen sind und schon können sie auf den Markt gebracht werden.
Das Prüfverfahren ist lange nicht so umständlich und schwierig wie bei Medikamenten. Das Kennzeichen wird normalerweise durch Zertifizierer vergeben. Genau hier liegt das Problem. Zertifizierer haben oft gar nicht das notwendige Fachwissen sowie die Zeit, sich die Produkte im Detail anzusehen. Also werfen sie einen Blick auf die Unterlagen und vergeben dann das Zertifikat.
Fehlende Haftpflichtversicherung in Deutschland
Kommt es zu einem oder mehreren Fällen mit fehlerhaften Medizinprodukten, dann liegt die Beweislast erst einmal beim Patienten. Wenn dieser jedoch nachweisen kann, dass die Fehler durch den Hersteller verursacht wurden, beginnt der Kampf um das Schmerzensgeld. Wie ein Bericht des Versicherungsboten zeigt, sind viele der Hersteller in Deutschland nicht ausreichend versichert. Normalerweise würde in diesem Fall die Haftpflichtversicherung greifen.
Denn private Haftpflichtversicherungen leisten immer dann einen Schadensersatz, wenn der Versicherungsnehmer anderen unbeabsichtigt Schäden zufügt. Im privaten Bereich funktioniert das ganz gut, sei es bei der Hundehaftpflichtversicherung oder der Autohaftpflichtversicherung. Da sowohl Auto als auch Hund Schäden in ungeahnter Höhe verursachen können, gehört beides in Deutschland zu den verpflichtenden Versicherungen. Anders sieht es bei der betrieblichen Haftpflichtversicherung aus – sehr zum Unmut vieler Patienten.
So gibt es in Deutschland für die Hersteller derzeit keinen Zwang, überhaupt eine Haftpflichtversicherung zu haben. Die Medizinprodukte-Hersteller haben daher häufig gar keine oder nur eine zu geringe Versicherung. Daher wird darauf gesetzt, dass die Schadensereignisse möglichst lange andauern, denn mit einem steigenden Zeitraum werden die Entschädigungen geringer. Für die Versicherungen ist das natürlich positiv. Für die Betroffenen und auch für die Hersteller allerdings nicht. Zwar sparen sich viel Hersteller die Kosten für die Versicherung. Geht es jedoch um die Klage auf Schmerzensgeld, stehen sie vor dem Problem, dass sie dieses im Ernstfall nicht zahlen können.
Der Blick auf die Nachbarn: Frankreich und seine Vorgaben
Ganz anders als in Deutschland, sieht es dagegen in Frankreich aus. Hier besteht eine durch den Gesetzgeber festgelegte Vorgabe für die Versicherung. Medizinprodukte-Hersteller müssen also eine Haftpflichtversicherung aufweisen. Diese Regelung war auf jeden Fall für die Opfer von einem Brustimplantate-Skandal der französischen Firma PIP zumindest ein kleiner Vorteil. Sie haben durch die Versicherung des Herstellers eine Entschädigung erhalten. Für den Hersteller PIP jedoch ging die Sache nicht gut aus. Nachdem das Unternehmen Implantate mit günstigem Industrie-Silikon gefüllt hat und dies aufgedeckt wurde, befindet es sich heute in der Insolvenz.
Dennoch ist dieser Fall gerade auch für Deutschland interessant. So wird hier deutlich, wie wichtig es ist, eine Haftpflichtversicherung vorweisen zu können. Die Unternehmen selbst sehen dies jedoch weiterhin gelassen.
Ablehnung der Versicherungspflicht durch deutsche Hersteller
Tatsächlich beschäftigt sich die EU schon länger mit dem Thema rund um das Medizin-Produkte-Recht. Sie möchte hier eine Vereinheitlichung schaffen. Brüssel arbeitet seit mehreren Jahren daran, ein Gesetz zu verabschieden. Ein Teil von diesem Gesetz wäre die EU-weite Pflicht, dass Hersteller eine ausreichende Haftpflichtversicherung aufweisen müssen. Gerade die deutschen Hersteller lehnen diesen Punkt jedoch immer wieder ab. Als Grund für die Ablehnung wird angegeben, dass das Risiko nicht einschätzbar ist.
Auch die Versicherer möchten davon nichts wissen. Müssten sie gemäß dem Risiko-Stand eine Versicherung anbieten, dann würde das in ihren Augen zu hohen Prämien führen. Meist sind die Anbieter der Medizinprodukte jedoch lediglich kleine oder mittelständische Unternehmen, die sich die Prämien nicht leisten können. In diesem Fall wäre eine Versicherungspflicht für den Hersteller also durchaus fatal.
Dennoch: Sich grundsätzlich über eine Haftpflichtversicherung zu informieren und einen Vergleich der Angebote zu starten, ist nicht verkehrt.
Video: Klinische Prüfungen von Medizinprodukten
Die Verantwortung der Krankenkassen gegenüber ihren Kunden
Interessant ist in diesem Zusammenhang natürlich auch ein Blick auf die Krankenkassen, die viele Medizinprodukte für die Kunden finanzieren. Diese verweisen darauf, dass es durchaus möglich ist, dass Medizinprodukte durch einen Rückruf betroffen sind. Patienten können auf der Webseite vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in regelmäßigen Abständen aktualisierte Informationen zur aktuellen Situation erhalten. Um zu wissen, ob die eigenen Medizinprodukte, die eingesetzt wurden, auch betroffen sind, reicht oft schon ein Blick in den Implantatausweis.
Hier wird das Produkt genau bezeichnet. Patienten haben die Möglichkeit, eine Entschädigung zu erhalten, wenn das Medizinprodukt beispielsweise reihenweise getauscht werden muss. Hier wird der Produktionsfehler durch den Hersteller direkt deutlich. Dennoch werden die Patienten von den Krankenkassen dazu angehalten, einen Fachanwalt für Medizinrecht einzuschalten. Zudem raten die Krankenkassen dazu, dass die Patienten das Medizinprodukt nach der Entfernung aus dem Körper mitnehmen. Es handelt sich um ihr Eigentum und daher haben sie ein Recht darauf, dieses zu erhalten.
Die Verzicht- oder Abfindungserklärung als augenscheinliche Lösung
Einige Hersteller, deren Medizinprodukte von einem Fehler betroffen sind und die keine oder eine unzureichende Haftpflichtversicherung haben, versuchen immer wieder, auf einem anderen Weg eine Lösung zu finden. In erster Linie geht es dabei natürlich darum, die Kosten möglichst gering zu halten und das Unternehmen zu schützen. Für die Patienten bedeutet dies, dass sie eine Verzichterklärung oder auch eine Abfindungserklärung erhalten.
Wenn sie diese unterschreiben, dann treten sie alle weiteren Ansprüche ab. Fakt ist, dass diese Erklärungen durchaus rechtens sind. Klagt der Patient dagegen, wird er nur in wenigen Fällen auch Recht bekommen. Dennoch haben Unternehmen hier das Problem, dass mit einem Medizinprodukt von schlechter Qualität oder anderweitigen Fehlern, der Ruf in Gefahr ist. Daher ist es wichtig, den Patienten das zukommen zu lassen, was ihnen zusteht. Des Weiteren sollten Hersteller prüfen, wie es zu dem Fehler kommen konnte und verhindern, dass dies wieder passiert.
Zwischen Raffgier und Sparkonsum
Der Fall des französischen Unternehmens gibt Aufschluss darüber, wie es zu den minderwertigen Medizinprodukten kommen kann. Durch die Verwendung von Industrie-Silikon wurden hohe Kosten gespart und hohe Einnahmen gemacht. Mit wenig Aufwand hatte das Unternehmen einen Weg gefunden, den Gewinn zu steigern. Das allerdings auf Kosten der Patienten und Kunden. Die Frage, warum Unternehmen minderwertige Medizinprodukte auf den Markt bringen, lässt sich dennoch nicht pauschal beantworten. Raffgier spielt hier an dieser Stelle natürlich häufig eine große Rolle. Aber auch der Sparkonsum treibt viele Hersteller an. Sie sehen sich gezwungen, gerade im Bereich der Produktion zu sparen.
Deutsche Hersteller haben einen Ruf zu verlieren. Ihre Produkte gelten als hochwertig und ihnen wird eine gute Qualität nachgesagt. Das erzeugt einen gewissen Druck, der zu Fehlern führen kann. Die Prüfung der Zertifizierer, die sich in der Materie meist nicht auskennen, sorgt nicht dafür, dass die Fehler erkannt werden. Der Kreislauf ist schwer zu durchbrechen. Auch wenn Hersteller davon ausgehen, dass dies bei ihren Produkten nicht passieren kann, hat die Vergangenheit eigentlich eines Besseren belehrt. Ob sich an der Versicherungspflicht dennoch etwas ändern wird, bleibt erst einmal weiterhin unklar.
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