Für die Prozessindustrie ist der Weg zur Industrie 4.0 noch lang. Viele Unternehmen aus Chemie und Pharmazie, aus der Stahl- oder Zementherstellung laufen daher Gefahr, von der technologischen Entwicklung abgedrängt zu werden. So geht beim Beheben von Störungen in verfahrenstechnischen Anlagen geht immer noch viel wertvolle Zeit damit verloren, die nötigen Informationen und Dokumente zusammenzutragen oder um Mitarbeiter mit den nötigen Spezialkenntnissen ausfindig zu machen.
Fraunhofer-Forscher stellen Monitoring-Verfahren auf der Hannover-Messe vor
Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) arbeiten nun an einen digitalen Monitoring-Verfahren, mit dem technische Lösungen aus der Industrie 4.0 auch für die Verfahrenstechnik nutzbar gemacht werden. Auf der vom 24. bis 28. April stattfindenden Hannover-Messe werden die Forscher ihr Projekt einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen.
Sie wollen die Wartung und Instandhaltung in der Verfahrenstechnik deutlich einfacher machen. Ihre Lösung ist dabei, die Überwachung der Anlage zu digitalisieren und alle relevanten Betriebsebenen miteinander zu vernetzen. »Die geplante Vernetzung der Anlagen basiert auf ihrem digitalen Abbild – also ihrem digitalen Zwilling«, sagt Dr. Nico Zobel, Wissenschaftler am Fraunhofer IFF. Um ihren Ansatz in der Praxis zu testen, haben Zobel und seine Kollegen eine Wirbelschicht-Granulieranlage umgerüstet. Derartige Anlagen nutzt beispielsweise die chemische Industrie zur Herstellung von Pflanzenschutz-Granulaten.
Digitaler Zwilling: Vernetzung in drei Dimensionen
Die erste Vernetzungsebene umfaßt den Lebenszyklus der Anlage, zeigt also etwa Dokumente aus der Planungsphase, ein dreidimensionales CAD-Modell sowie die Daten aus dem Betrieb für jede einzelne Komponente. Ein Werker, der nach einem Fehler sucht, kann diese Informationen aufrufen und sich vom digitalen Zwilling bei Suche und Reparatur helfen lassen.
Die zweite oder vertikale Vernetzungsebene greift auf die Cloud zurück. „Hierbei schicken die an der Anlage befindlichen Sensoren die von ihnen erhobenen Zustandsdaten in die Cloud. Damit können jene Daten schon zu diesem frühen Zeitpunkt in die Planung von Instandhaltungsmaßnahmen einfließen“, erklärt Nico Zobel. So wird auch vorausschauende oder vorbeugende Instandhaltung (‚predictive maintenance‘) möglich. Wartungspläne können anhand der tatsächlich auftretenden Belastungen optimiert werden. Außerdem haben die Fraunhofer-Forscher die befragt, die an der Anlage arbeiten und deren Wissen als Basis für einen mathematisches Modell verwendet, das die Ausfallwahrscheinlichkeit der einzelnen Komponenten berechnet.
Die dritte oder horizontale Vernetzungsebene verbindet den laufenden Anlagenbetrieb mit der supply chain, also mit der Lieferkette für Ersatzteile. Muss eine Dichtung ausgetauscht werden, die nicht im Lager liegt, bestellt das System selbsttätig eine neue.
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